Die dritte Dienstreise feiert den Chianti – und die Maremma
Graue Wolkenknäuel liegen dicht an dicht über dem Norden Italiens. Noch trägt uns der Flieger durch das lichte Himmelsblau darüber hinweg, noch zügeln wir unsere Vorfreude auf die kommenden Tage in vorsätzlicher Notwehr mit der unsäglichen „Cuvée Speciale“ der Airline. Vor uns liegt die Dienstreise #3, die uns im Jubiläumsjahr 2016 in die Toskana führt. Mit der Exkursion in eine der traditionsreichsten Regionen des „Planeten Wein“ feiern wir gleichzeitig deren 300. Geburtstag. Der ansonsten mehr an Glaubens- denn an Regierungsangelegenheiten interessierte Cosimo III. de Medici erließ nämlich 1716 ein Weingesetz, das den Gebieten in Chianti, Pomino, Val d’Arno und Carmignano ein Art geschützte Herkunftsbezeichnung zusprach. Drei dieser Anbaugebiete werden wir auf der Dienstreise besuchen. Den Auftakt bildet dabei mit der DOCG Carmignano die kleinste Appellation Italiens mit ihren gerade mal 120 Hektar Anbaufläche. Nach dem Start westlich von Florenz werden wir uns in die Hügellandschaft weiter südlich stürzen und fortwährend das Dreieck zwischen den Städten Florenz, Arezzo und Siena durchkurven.
Wie ein Sangiovese-roter Faden zieht sich die Frage nach den Anbaugebieten und der Bezeichnung von Qualitäten durch die Weingeschichte der Toskana im Allgemeinen und des Chianti im Besonderen. Das wird uns interessieren. Schaut man auf die Karte, verwirrt die Kleinteiligkeit der Appellationen und Herkunftsbezeichnungen, die sich teilweise überlappen oder innerhalb einer größeren DOC als eigenständige DOCG ihren Platz haben. Allein der Chianti mit seinen ausgreifenden Armen in alle Himmelsrichtungen und den eingelagerten Unterzonen wie den „Colli Fiorentini“, den „Colli Senesi“ oder eben dem zentralem „Chianti Classico“ verlangen dem Betrachter einige meditative Momente ab. Neun Unterzonen gibt es mittlerweile, nachdem 2011 noch die DOC „Val d’Arno di Sopra“ hinzukam. Blicken wir auf die gesamte Toskana so zählen wir – wenn wir richtig gezählt haben – immerhin elf DOCG Weine (Denominazione di Origine Controllata e Garantita), 41 DOC Weine (Denominazione di origine controllata) und fünf verschiedene IGT Weine (Indicazione Geografica Tipica).
Tourenplanung: 15 Weingüter in fünf Tagen
Was der Blick auf die Karte der Anbaugebiete eröffnet, wird erst komplett, wenn man sich die besondere Geographie der Region vor Augen führt. Die ausgesprochen hügelige Landschaft setzt der Kleinteiligkeit mit ihrer Vielfalt an Mikroklimata, unterschiedlichen Böden und Höhenlagen sozusagen die super-toskanische Krone auf.
Für die Tourenplanung der uns zur Verfügung stehenden knappen Woche bedeutet dies: Wir können keinesfalls alle Anbaugebiete berücksichtigen, aber wir wollen drei Tage allein dem Chianti widmen und weitere zwei Tage Weingüter in der Maremma besuchen. Immerhin rund 1000 Kilometer, wie der grobe Überschlag zeigt.
Der Anflug auf Bologna beginnt, die „Cuvée Speciale“ ist geschafft. Wir tauchen in das dunkelwolkige Bällebad ein und das Flugzeug quittiert die Annäherung mit rappeliger Nervosität. Der bessere Flughafen wäre Florenz gewesen, doch außerhalb der touristisch verwertbaren Saison verschwinden viele Direktverbindungen in die toskanische Hauptstadt vom Flugplan.
So erwartet uns also die winterliche Version der Toskana – entledigt seiner Touristen und voller entleerter Ortschaften und geschlossener Restaurants. Eine Stille und nahezu natürlich anmutende Langsamkeit erfassen die Landschaft und ihre Bewohner – außer jene Menschen, die mit Wein zu tun haben. Sie vertreiben sich mit dem Beschnitt in den Weingärten und dem Abfüllen der neuen Jahrgänge die winterliche Melancholie.
INFO
Sangiovese: In über 240 DOC- und DOCG-Weinen Italiens ist Sangiovese als Rebsorte vorgegeben. Im Chianti ist eine Mindestanteil von 70 Prozent (DOCG Chianti) bis 80 Prozent (DOCG Chianti Classico) vorgeschrieben. In der DOCG Morellino di Scansano (Maremma) macht der Sangiovese gar 85 Prozent der Weine aus. Im Vergleich zu anderen Rebsorten zeichnet sich Sangiovese durch eine helleres Rot aus. Zudem steht die Rebsorte für einen hohen Tanningehalt und ausreichend Säure. In der Toskana wird Sangiovese am häufigsten mit den „uvas francesas“, wie Merlot, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Petit Verdot sowie den autochthonen Rebsorten Canaiolo oder Colorino vermählt.
Auf fünf Tage verteilen sich unsere Stelldichein mit 15 Weingütern von Florenz und Carmignano im Norden bis Grosseto und Scansano im Süden. Bei der Recherche für die Dienstreise unterstützten uns dieses Mal die Weinlakai-Leser mit Tipps und Anmerkungen. Dafür ein herzliches Dankeschön bereits an dieser Stelle. Darüber hinaus haben wir die einschlägigen Fachzeitschriften und Weinführer konsultiert, wollten aber auch jenseits bereits vergebener Gläser und Punkte der Dienstreise-Philosophie treu bleiben. Wir suchen gut gemachte Weine, die in besonderer Weise eine Rebsorte, eine Lage oder auch einen Stil zum Ausdruck bringen. Diese Weine müssen für ihre Region stehen, aber nicht unbedingt den DOC(G)-Regularien entsprechen. Sie können große Namen tragen oder von kleinen Fattorias stammen, als Riserva oder IGT deklariert sein.
Nomenklatura toscana Gerade die Verwendung und Aussage der Qualitätsbezeichnungen sind in der Toskana so eine Sache. Die Pyramide der Qualitäten scheint herkömmlich. Den IGT-Wein übertreffen seine DOC und DOCG-Kollegen an Wertigkeit, darüber hinaus wird mit der Kennzeichnung „Riserva“ noch eine Reife von mindestens 24 Monaten, drei davon in der Flasche garantiert. Doch denkt man an die berühmten „Super Tuscans“, die Supertoskaner, so handelt es sich zumeist um die angeblich einfacheren IGT-Weine, was aber weder ihrer Qualität noch ihrer Reputation geschadet hat. Da konnte der „Gallo Nero“, der schwarze Hahn, den nur Weine aus dem Chianti Classico auf der Flasche führen dürfen, vor Neid schon mal blass werden. Jüngst kam mit der „Gran Selezione“ eine weitere Qualitätsstufe hinzu, die noch über der Riserva liegt und neben besonderen weinchemischen Anforderungen – tatsächlich so – mit dem Begriff der Lage operiert. Es gilt also um so mehr, zuerst den Wein zu verkosten und dann das Etikett zu lesen, um sich seinen eigenen Reim darauf zu machen. Und genau das haben wir in den kommenden fünf Tagen vor.
Inzwischen sitzen wir im Mietwagen und erfreuen uns des hybriden Toyota Auris beim Durchqueren der Alpe di San Benedetto, wo wir endlich die Grenze von der Emilia-Romagna zur Toskana überschreiten. Jetzt ist unsere erste Übernachtungsstation in Florenz nicht mehr weit und der erste Besuch eines toskanischen Weinguts wird uns am Folgetag nach Carmignano führen.
Bereits zum zweiten Mal innerhalb der letzten Jahre darf ich die spanische Weinregion Ribera del Duero besuchen. Es könnte kaum einen besseren Anlass geben,...
Tag 0: Das Vorhaben, die Route und Wissenswertes
Die dritte Dienstreise feiert den Chianti – und die Maremma
Graue Wolkenknäuel liegen dicht an dicht über dem Norden Italiens. Noch trägt uns der Flieger durch das lichte Himmelsblau darüber hinweg, noch zügeln wir unsere Vorfreude auf die kommenden Tage in vorsätzlicher Notwehr mit der unsäglichen „Cuvée Speciale“ der Airline. Vor uns liegt die Dienstreise #3, die uns im Jubiläumsjahr 2016 in die Toskana führt. Mit der Exkursion in eine der traditionsreichsten Regionen des „Planeten Wein“ feiern wir gleichzeitig deren 300. Geburtstag. Der ansonsten mehr an Glaubens- denn an Regierungsangelegenheiten interessierte Cosimo III. de Medici erließ nämlich 1716 ein Weingesetz, das den Gebieten in Chianti, Pomino, Val d’Arno und Carmignano ein Art geschützte Herkunftsbezeichnung zusprach. Drei dieser Anbaugebiete werden wir auf der Dienstreise besuchen. Den Auftakt bildet dabei mit der DOCG Carmignano die kleinste Appellation Italiens mit ihren gerade mal 120 Hektar Anbaufläche. Nach dem Start westlich von Florenz werden wir uns in die Hügellandschaft weiter südlich stürzen und fortwährend das Dreieck zwischen den Städten Florenz, Arezzo und Siena durchkurven.
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Wie ein Sangiovese-roter Faden zieht sich die Frage nach den Anbaugebieten und der Bezeichnung von Qualitäten durch die Weingeschichte der Toskana im Allgemeinen und des Chianti im Besonderen. Das wird uns interessieren. Schaut man auf die Karte, verwirrt die Kleinteiligkeit der Appellationen und Herkunftsbezeichnungen, die sich teilweise überlappen oder innerhalb einer größeren DOC als eigenständige DOCG ihren Platz haben. Allein der Chianti mit seinen ausgreifenden Armen in alle Himmelsrichtungen und den eingelagerten Unterzonen wie den „Colli Fiorentini“, den „Colli Senesi“ oder eben dem zentralem „Chianti Classico“ verlangen dem Betrachter einige meditative Momente ab. Neun Unterzonen gibt es mittlerweile, nachdem 2011 noch die DOC „Val d’Arno di Sopra“ hinzukam. Blicken wir auf die gesamte Toskana so zählen wir – wenn wir richtig gezählt haben – immerhin elf DOCG Weine (Denominazione di Origine Controllata e Garantita), 41 DOC Weine (Denominazione di origine controllata) und fünf verschiedene IGT Weine (Indicazione Geografica Tipica).
Tourenplanung: 15 Weingüter in fünf Tagen
Was der Blick auf die Karte der Anbaugebiete eröffnet, wird erst komplett, wenn man sich die besondere Geographie der Region vor Augen führt. Die ausgesprochen hügelige Landschaft setzt der Kleinteiligkeit mit ihrer Vielfalt an Mikroklimata, unterschiedlichen Böden und Höhenlagen sozusagen die super-toskanische Krone auf.
Für die Tourenplanung der uns zur Verfügung stehenden knappen Woche bedeutet dies: Wir können keinesfalls alle Anbaugebiete berücksichtigen, aber wir wollen drei Tage allein dem Chianti widmen und weitere zwei Tage Weingüter in der Maremma besuchen. Immerhin rund 1000 Kilometer, wie der grobe Überschlag zeigt.
Der Anflug auf Bologna beginnt, die „Cuvée Speciale“ ist geschafft. Wir tauchen in das dunkelwolkige Bällebad ein und das Flugzeug quittiert die Annäherung mit rappeliger Nervosität. Der bessere Flughafen wäre Florenz gewesen, doch außerhalb der touristisch verwertbaren Saison verschwinden viele Direktverbindungen in die toskanische Hauptstadt vom Flugplan.
So erwartet uns also die winterliche Version der Toskana – entledigt seiner Touristen und voller entleerter Ortschaften und geschlossener Restaurants. Eine Stille und nahezu natürlich anmutende Langsamkeit erfassen die Landschaft und ihre Bewohner – außer jene Menschen, die mit Wein zu tun haben. Sie vertreiben sich mit dem Beschnitt in den Weingärten und dem Abfüllen der neuen Jahrgänge die winterliche Melancholie.
INFO
Sangiovese: In über 240 DOC- und DOCG-Weinen Italiens ist Sangiovese als Rebsorte vorgegeben. Im Chianti ist eine Mindestanteil von 70 Prozent (DOCG Chianti) bis 80 Prozent (DOCG Chianti Classico) vorgeschrieben. In der DOCG Morellino di Scansano (Maremma) macht der Sangiovese gar 85 Prozent der Weine aus. Im Vergleich zu anderen Rebsorten zeichnet sich Sangiovese durch eine helleres Rot aus. Zudem steht die Rebsorte für einen hohen Tanningehalt und ausreichend Säure. In der Toskana wird Sangiovese am häufigsten mit den „uvas francesas“, wie Merlot, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Petit Verdot sowie den autochthonen Rebsorten Canaiolo oder Colorino vermählt.
Auf fünf Tage verteilen sich unsere Stelldichein mit 15 Weingütern von Florenz und Carmignano im Norden bis Grosseto und Scansano im Süden. Bei der Recherche für die Dienstreise unterstützten uns dieses Mal die Weinlakai-Leser mit Tipps und Anmerkungen. Dafür ein herzliches Dankeschön bereits an dieser Stelle. Darüber hinaus haben wir die einschlägigen Fachzeitschriften und Weinführer konsultiert, wollten aber auch jenseits bereits vergebener Gläser und Punkte der Dienstreise-Philosophie treu bleiben. Wir suchen gut gemachte Weine, die in besonderer Weise eine Rebsorte, eine Lage oder auch einen Stil zum Ausdruck bringen. Diese Weine müssen für ihre Region stehen, aber nicht unbedingt den DOC(G)-Regularien entsprechen. Sie können große Namen tragen oder von kleinen Fattorias stammen, als Riserva oder IGT deklariert sein.
Nomenklatura toscana
Gerade die Verwendung und Aussage der Qualitätsbezeichnungen sind in der Toskana so eine Sache. Die Pyramide der Qualitäten scheint herkömmlich. Den IGT-Wein übertreffen seine DOC und DOCG-Kollegen an Wertigkeit, darüber hinaus wird mit der Kennzeichnung „Riserva“ noch eine Reife von mindestens 24 Monaten, drei davon in der Flasche garantiert. Doch denkt man an die berühmten „Super Tuscans“, die Supertoskaner, so handelt es sich zumeist um die angeblich einfacheren IGT-Weine, was aber weder ihrer Qualität noch ihrer Reputation geschadet hat. Da konnte der „Gallo Nero“, der schwarze Hahn, den nur Weine aus dem Chianti Classico auf der Flasche führen dürfen, vor Neid schon mal blass werden. Jüngst kam mit der „Gran Selezione“ eine weitere Qualitätsstufe hinzu, die noch über der Riserva liegt und neben besonderen weinchemischen Anforderungen – tatsächlich so – mit dem Begriff der Lage operiert. Es gilt also um so mehr, zuerst den Wein zu verkosten und dann das Etikett zu lesen, um sich seinen eigenen Reim darauf zu machen. Und genau das haben wir in den kommenden fünf Tagen vor.
Inzwischen sitzen wir im Mietwagen und erfreuen uns des hybriden Toyota Auris beim Durchqueren der Alpe di San Benedetto, wo wir endlich die Grenze von der Emilia-Romagna zur Toskana überschreiten. Jetzt ist unsere erste Übernachtungsstation in Florenz nicht mehr weit und der erste Besuch eines toskanischen Weinguts wird uns am Folgetag nach Carmignano führen.
Unsere Fotoeindrücke des Anreisetages:
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