Tag 7: Unser Tag am Meer
Mit den Rías Baixas wartet die letzte Grenze auf uns – der Ozean
Der letzte Tag der Dienstreise – zumindest vor Ort – gehört der D.O. Rías Baixas, deren Albariños in den vergangenen Jahren immer wieder von sich Reden gemacht haben. Hinsichtlich der Bekanntheit im Ausland sowie mit Blick auf das Renommee des Anbaugebiets haben die Rías Baixas den zuvor besuchten Regionen sicherlich etwas voraus.
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Ein Blick auf die Karte zeigt, dass die Rías Baixas kein zusammenhängendes Gebiet bilden, sondern sich in vier Teilstücken entlang der Rías erstrecken, jenen weit ins Land hinein ragenden Buchten, die an skandinavische Fjorde erinnern. Die klimatischen Verhältnisse – es ist deutlich kühler und feuchter als im Rest Spaniens – sowie die verschieden sehr mineralhaltigen Böden schaffen ideale Vorraussetzungen für aromatische und elegante Weißweine. Andererseits machen die vielen Niederschläge die Reben für Pilzkrankheiten anfällig, auch die Reife der Trauben erweist sich in manchen Jahren als schwierig. Auf den rund 2.650 Hektar Rebfläche dominiert der Albariño, neben anderen autochthonen weißen Rebsorten findet sich aber auch Mencía in der D.O..
Akkuratesse und Perfektionsdrang
Beim Frühstück im Parador de Cambados führen wir uns diese Eckdaten noch einmal vor Augen. Zwei Bodegas besuchen wir heute, eine am Vormittag und eine am Nachmittag. Zwischen den beiden Terminen müssen wir uns um den Versand der Weine für die Nachverkostung in Deutschland kümmern. Denn morgen geht es über Vigo und Madrid wieder zurück in die Heimat. Ein wenig Abschiedswehmut umstreicht uns, als es im Auto zur „Adega Valdés“ nach Vedra geht.
An den Ufern des Ulla erstrecken sich die Weingärten der Familie Valdés – rund 20 Hektar – die sie seit über 30 Jahren bewirtschaftet werden. Mit der neuen, im Jahr 2001 gebauten Kellerei, setzte man ganz auf die Herkunftsbezeichnung „Rías Baixas“ und stellt nun unter dem Markennamen „Gundian“ und „Pazo Viladomar“ zwei Weißweine und einen Rotwein her. Der Gang durch die Rebflächen lässt jedoch wenig Winzerromantik aufkommen, denn bei der „Adega Valdés“ richtet sich alles professionell darauf aus, die gewünschten Weine möglichst jedes Jahr in nahezu identischer Qualität und vor allem Stilistik herzustellen. Aber der besuchte Weingarten strahlt auch aus anderem Grund keine Romantik aus: Hier greift man auf riesige Heizlüfter zurück, deren Wärme ein Windrad verteilt, um eventuellen Nebel aus dem Weingarten zu verscheuchen.
Auch im Keller steht der möglichst saubere Wein im Vordergrund, weshalb gekühlt und gefiltert wird, wo immer es notwendig erscheint. Nach den Erlebnissen der vergangenen Tagen ernüchtern diese Akkuratesse und der technische Perfektionsdrang ein wenig, doch wir wollen kein Urteil fällen, bevor wir nicht die Weine im Glas gehabt haben. Zur Verkostung mit Luis Cid Conde geht es zurück in die Verwaltungsräume der „Adega Valdés“
Die Weine
Die Verkostung findet in einem etwas dunklen Raum im Obergeschoss der Bodega statt. Auch hier fällt es schwer, mit diesem Betrieb warm zu werden. Doch sind solche Dinge nicht wirklich wichtig, wenn man sich an das Grundprinzip der Dienstreise zurückerinnert: nur die Qualität zählt. Und so bin ich im wahrsten Sinne des Wortes positiv überrascht als ich die Weine der Adega Valdés ins Glas bekomme. Insbesondere der „Gundian“ hat eine so schöne und einladende Frucht, dass man spontan zum Albariño-Fan wird. Und natürlich zahlt sich hier auch die Arbeit im Keller aus. Der Wein ist wunderbar frisch, klar und von schöner, aber unaufdringlicher Säure geprägt. Es steht schnell fest: dieser Wein muss mit. Besser kann man Albariño eigentlich kaum erklären.
Mitgenommen von Adega Valdés: 2014 „Gundian“ Albariño
Abschiedsvorstellung vor Augen
Doch die Dienstreise wäre keine Dienstreise, wenn sie uns mit dem Besuch der „Bodegas Albamar“ nicht noch den absoluten Gegenentwurf zur durchsystematisierten „Adega Valdés“ liefern würde. Vorab bedarf es jedoch eines kleinen Exkurses in Sachen Dienstleistung, der uns nach Vigo führt, wo wir einem Tipp von Luis von der „Bodegas Val de Sil“ nachgehen. Er hat uns dort die Niederlassung von „Mailboxes etc.“ und eine ganz konkrete Ansprechpartnerin empfohlen, um die Weine nach Deutschland zu versenden. Bereits am Telefon merkt der Adlatus – Volltreffer, diese Dame versteht ihr Geschäft! So entledigen wir uns recht zügig und relativ günstig des Logistikproblems und haben noch Zeit für einen cafe con leche in einer Einkaufsstraße der Innenstadt.
Adlatus: Das Ende ist absehbar, also das unserer zweiten Dienstreise.
Weinlakai: Und ohne demselben vorzugreifen, es waren doch wieder ausgesprochen lehr- und genussreiche Tage. Was haben wir für tolle Weine im Glas gehabt, diese wunderbaren Mencías.
Adlatus: Und dieses Mal haben wir auch gute Weißwein-Kandidaten für die Empfehlung gefunden. Das ist uns mit Blick auf das Preis-Genuss-Verhältnis an der Rhône ja schwer gefallen.
Weinlakai: Sehe ich auch so, da habe ich schon einen bestimmten Godello und einen Albariño im Auge. Ich will mich aber noch nicht festlegen. Erinnere dich nur an die Blindverkostung der Weine nach der ersten Dienstreise.
Adlatus: Oh ja, meine beiden Favoriten sind damals auf der Strecke geblieben. Auf beide hätte ich zuvor gewettet, so sicher war ich mir.
Weinlakai: Um so wichtiger ist es, wieder alle Weine blind nachzuverkosten. Nur so finden die richtigen Flaschen in die endgültige Empfehlung.
Adlatus: Einen Godello als klaren Favoriten habe ich auch. Bei den Rotweinen fällt es mir schwerer, da waren die Stilistiken so unterschiedlich, dass man kaum an dieselbe Rebsorte glauben wollte. Gut, dass der 2010er „Adría“ da schon mal eine Marke setzt.
Weinlakai: Obgleich es mit den Weißweinen doch ähnlich ist. Die stilistische Bandbreite ist ungeheuer groß, ich will dich ja nicht an unsere Holz-Blamage erinnern.
Adlatus: Und ein Besuch steht ja noch aus, gleich die „Bodegas Albamar“.
Weinlakai: Mein Gott, unsere Abschiedsvorstellung sozusagen. Na dann mal auf.
Auf dem Weg zurück nach Cambados zur „Bodegas Albamar“ genießen wir den Blick auf diese außergewöhnliche Landschaft, wir sehen das Meer in der Ferne blitzen, riechen sogar den Ozean, sobald wir die Fenster öffnen. In den eher flachen Rías erkennen wir die schwimmenden Muschelfarmen. Ob Austern, Enten-, Jakobs-, Mies- oder Herzmuscheln, Garnelen und Krabben für Freunde von Meeresfrüchten ist Galicien nicht die schlechteste Destination. Als wir von der großen Hauptstraße abbiegen, drängeln wir uns durch deutlich kleinere bis zur Bodega. Wir müssen unseren Gastgeber, Xurxo Alba Padín, erst suchen, aber das fällt bei einem Winzer nicht schwer und so werden wir schnell in der Kellerei fündig.
Xurxo will mit uns zuerst hinaus in die Weingärten, die verstreut zwischen der Ortschaft, der Mündung des Río Umia und der Ría Arousa liegen. Bereits die erste Parzelle hat ihren eigenen Charme und Charakter, die Reben werden – wie praktisch überall in dieser Region praktiziert – auf einer Pergola „erzogen“, um sie besser gegen die Feuchtigkeit am Boden zu schützen und den Trauben mehr Sonne zu geben. Dieser Weingarten liegt nur knapp 20 Meter vom Ufer entfernt, die Luft ist salzig und von einem feinen Dunst durchzogen. Der Salzgehalt in die Luft sei manchmal so hoch, merkt Xurxo an, dass man feine weiße Ablagerungen auf den Blättern finde.
Mehr Meer geht nicht
Nun folgt die große Tour durch die Weingärten der Familie, mit denen 2006 die eigene Bodega ins Leben gerufen wurde. Die meisten Reben wurden in den 1970er gesetzt, gezielt bemüht sich Xurxo aber um die Pacht und den Zukauf von Trauben noch älterer Rebstöcke. Dabei geht ihm Qualität klar vor Quantität. Wenn die Bodega im Jahr um die über 40.000 Flaschen herstellt, dann ist das schon ein gutes Jahr. Im Katastrophenjahr 2012, schiebt Xurxo nach, haben wir nur 24.000 Flaschen abfüllen können. Immer wieder weist er uns auf die alten, aufgegebenen Kalkbrennereien hin, die hier direkt neben den Weingärten stehen. Auch dieses Gewerbe hat auf den kalkhaltigen und sandigen Boden der Ría gesetzt.
In einer der neueren Parzellen der Familie zeigt uns der vor Energie übersprühende Winzer Neupflanzungen, die am Spalier gezogen werden – nahezu ein Tabubruch in dieser Gegend, doch Xurxu konnte sich mit dieser Idee durchsetzen. Am Ende stellt er uns noch die alten Caiño Reben – quasi persönlich – vor, die er erst jüngst und vollkommen unverhofft für die Bodega pachten konnte. Über zwei Stunden verbringen wir in den Weingärten und als wir zur Bodega zurückkehren, erwartet uns eine ebenso lange Begegnung mit den Weinen selbst. Xurxo lässt es sich nämlich nicht nehmen, uns die verschiedenen Weine auch in der Vertikalen vorzuführen. Doch so weit sind wir noch nicht, zunächst geht es in die Kellerei, wo unser Gastgeber uns an jedem Fass, Tank und Betonei probieren lässt. Dazu gibt es ausführliche Erklärungen zum Entwicklungsstand des Weines, zur Vinifizierung und der geplanten Vermählung mit anderen Weinen, die dann selbstverständlich ebenfalls begutachtet werden müssen …
Da tut es gut, dass wir vor der eigentlichen Verkostung noch von der Kochkunst seiner Mutter profitieren. Sie trägt uns nach einer vollendeten Tortilla mit Chorizo, nach den Tomaten, Oliven und dem Schinken, noch eine wohlmeinende Portion Rochen auf den Tisch – für uns eine Premiere, die uns ein besonderes galicisches Geschmackserlebnis einträgt. Nun aber endlich zur Verkostung:
Die Weine
Das umfangreiche Line-Up von Albamar ist beeindruckend. Und auch die Experimentierfreude in Sachen neuer Weine scheint bei Xurxo keine Grenzen zu finden. Die verkosteten Weine sind sehr speziell, teils nicht einfach zu verstehen, aber dadurch besonders reizvoll. Das Problem: Fast alle probierten Weine sind schon vom Markt verschwunden und nur zwei noch aktuell verfügbar. Die nehmen wir aber beide mit. Denn der Albariño „Albamar“ verwirrt und bezaubert zugleich – hier findet man eine dezente Salzigkeit und eine prägnante Mineralität, die an Muschelschalen erinnert. Ein echter „Meer-Wein“ eben. Zudem vinifiziert Xurxo einen Mencía in Ribeira Sacra. Dieser gefällt auf Anhieb, denn er kombiniert die florale Aromatik der Rebsorte mit der typischen Würzigkeit der D.O. Ribeira Sacra. Auch wenn wir Hinblick auf die Blindprobe vehement eine normale Musterflasche fordern, besteht Xurxo darauf uns eine Magnum seine Mencía „Fusco“ mitzugeben. Sei’s drum.
Mitgenommen von Bodegas Albamar: 2014 „Albamar“ Albariño und 2014 „Fusco“ Mencía (Ribeira Sacra)
Nach der Verkostung ist vor dem nächsten Wein. Es wird ein langer Abend mit Xurxo und als wir schweigend im Wagen sitzen und zurück zum Parador fahren, sind wir immer noch mit unserem Geschmacksapparat beschäftigt. Die feine Salzigkeit seiner Weine und diese frische, sich elegant durchziehende Säure sind die letzten Aromennoten dieser Dienstreise. Sie vermischen sich mit der Melancholie des Abschiednehmens und werden so zur Schlusserinnerung unserer Weinreise durch Nordspanien.
Abspann und Ausblick
Wir möchten uns bei allen Bodegas für den freundlichen Empfang bedanken. Kurz vor der Weinlese ist es nicht selbstverständlich gewesen, den beiden „periodistas alemanes“ so viel Zeit einzuräumen.
Wir bedanken uns beim spanischen Fremdenverkehrsamt und noch viel mehr bei den Paradores für die besonderen Begegnungen mit Spaniens Geschichte und der Gastfreundlichkeit des Landes.
Nicht zu vergessen ist die Unterstützung durch Vipino und den Heimat-Support des Faktotums.
Aber nach der Dienstreise ist natürlich auch vor der Blindverkostung. Diese werden wir nun schnellstmöglich durchführen und hoffentlich bereits Anfang nächster Woche die Gewinner bekannt geben.
Unser Streckenverlauf des heutigen Tages:
Lieber Weinlakai,
vielen Dank für die Berichte über Ihre Dienstreise, die mich als Freund des spanischen Weinen, dem auch Mencia, Albarino und Godello nicht fremd sind, sehr, sehr neidisch gemacht haben!!! Ich bin schon sehr auf Ihre Weinauswahl gespannt.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Möller