Tag 6: An heiligen Ufern unterwegs

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Ribeira Sacras Würzigkeit, der schönste Parador von allen und eine spontane Wein-Empfehlung

Liebend gerne blieben wir noch im Parador de Montefort de Lemos, gäben uns dieser so einnehmenden Stille des Innenhofes hin und ließen uns von dem historischen Ambiente des alten Palastes entführen, jedoch der Kompass der Dienstreise weist unerbittlich Richtung Westen. Erneut überschreiten wir eine Grenze, als wir die erste Bodega in Ribeira Sacra ansteuern. Den Sil verlieren wir dabei nicht aus den Augen, zusammen mit dem Miño bildet er die Verbindungslinie der Lagen, die sich beidseitig der Flüsse erstrecken. Von hier bis Portugal ist es nicht mehr weit und auch die Strecke bis zum Atlantik ist schnell gemacht. Dennoch erinnern uns die steilen Hänge mit den mühsam zu bearbeitenden Reihen eher an die gute deutsche Mosel.

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Auf der Fahrt zur „Adega Vella“ in A Teixeira kurven wir in luftiger Höhe über dem Fluss durch die Weinberge. Die D.O. Ribeira Sacra ist noch etwas kleiner als der Valdeorras. Nur knapp 1.200 Hektar kommen zusammen, wenn man die sechs Gebiete Amandi, Chantada, Quiroga-Bibei, Ribeiras do Miño, Ribeira do Sil-Ourence und Sober addiert. Dafür haben diese „heiligen Ufer“, wie man Ribeira Sacra übersetzen kann, eine über 2.000 Jahre alte Weintradition. Bereits Kaiser Tiberius soll aus dieser Gegend seinen Lieblingstropfen bezogen haben. Die Böden sind hier von Schiefer und Granit geprägt, was ihre auffällige Würzigkeit erklärt. Neben dem roten Mencía und dem weißen Godello, finden sich in der D.O. noch roter Garnacha sowie mit Loureira, Treixadura und Albariño weitere weiße Trauben.

Tradition liegt in der Luft

In A Teixeira empfängt uns Jorge Feíjoo González, der gerade die Körbe für die Lese vorbereitet. Vor zehn Jahren verwirklichten sich Jorge und seine Frau Mari Sol den Traum von der eigenen Bodega – oder Adega wie es in Galicien heißt. Sie kauften das Haus und die Kellerei des Priesters, direkt neben dem Friedhof gelegen, und passten die moderne Technik den Baustrukturen aus dem 12. Jahrhundert an. Selbst wenn noch nicht alles so ist, wie es sich Mari Sol und Jorge vorstellen, die Verbundenheit des Weinmachens mit dieser Gegend, diesem Ort, diesem Haus atmen wir gleichsam ein, als uns Jorge durch die Kellerei führt.

Nur 5,5 Hektar ist die „Adega Vella“ groß und mit dem üblichen Zukauf ausgesuchten Trauben erzielt man eine Jahresproduktion von rund 60.000 Flaschen. Neben dem genauen Blick auf die Qualitäten jeder einzelnen Parzelle – einige davon in unmittelbarer Nähe der Bodega – setzt Jorge auf alte autochthone Rebsorten wie Merenzao, Brancellao, Sousón oder Mouratón, um seinen Weinen Profil zu geben. Und eine weitere persönliche Vorliebe gibt er uns vor der Verkostung mit auf den Weg: „Ich liebe es, wenn die Weine von intensiver Farbe sind.“

Die Weine

Die Weine von Jorge machen sofort deutlich, dass wir im Ribeira Sacra angekommen sind. Der anderswo so floral anmutende Mencía hat hier eine prägnante Würzigkeit. So findet man in diesen Weinen eher Gewürznelke als Veilchen und eher Sternanis als Rosenblätter. Uns gefällt das sehr gut, denn es zeigt erneut die extreme Wandelfähigkeit von Mencía. So ist es auch ein Wein aus ebendieser Rebsorte, den wir mitnehmen. Durch die sechs Monate im Holz wird seine Würzigkeit unterstrichen und trotzdem wirkt der Wein noch angenehm leichtfüßig. Er besitzt noch ausreichend Fruchtaroma, um nicht anstrengend zu wirken und enttäuscht auch im Abgang nicht mit fehlender Länge.

Mitgenommen von der Adega Vella: 2014 „Baluce“ Mencía

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Eine professionelle Blamage

Es ist für uns nicht weit bis zur nächsten Verabredung in Castro Caldelas. Wir genießen das kurvenreiche Gleiten hinab an den Fluss, dessen Seite wir wechseln und schon wenig später vor der „Adegas Ponte da Boga“ stehen. Wir treffen uns dort mit Marta Plasencia, der PR-Frau der Bodega – eine Premiere für uns auf dieser Dienstreise. Besitzer der „Adegas Ponte da Boga“ ist ein großer Getränkekonzern, dem unter anderem die Brauerei „Estrella Galicia“ gehört, das zieht andere Strukturen nach sich – aber auch andere Möglichkeiten. Das erkennen wir an der Kellerei, einem alten, komplett restaurierten Gebäude, das in den Fels hineingebaut ist. Somit führt ein Feldweg direkt auf das „Dach“ der Bodega, so dass die Trauben nach der Ernte ihren Weg in den Keller ohne Förderbänder finden. Zudem sorgt der umgebende Fels für optimale Temperaturen beim Ausbau und Reifen der Weine.

Auch die „Adegas Ponte da Boga“ setzen auf die traditionellen Rebsorten der Region, so dass uns nicht nur roter Mencía erwartet sondern auch Merenzao, Sousón und Brancellao. Die Weißweine der Bodega werden aus Godello und Albariño gemacht, jedoch sehen nur die Rotweine Holz – wie wir noch lernen durften. Rund 24 Hektar bewirtschaftet die Bodega, von denen sich jedoch nur sieben Hektar in eigenem Besitz befinden. Das Sortiment umfasst insgesamt sieben Weine, die Jahresproduktion beläuft sich auf etwa 280.000 Flaschen. Diese Dimensionen unterscheiden die „Adegas Ponte da Boga“ von der zuvor besuchten „Adega Vella“. In der Verkostung wollen wir herausfinden, ob man dies den Weinen anmerkt – um ein typisches deutsches Vorurteil zu benennen.

Die Weine:

Ponte da Boga ist in allen Belangen professionell aufgestellt. Das sieht man im modernen Keller genauso wie beim Verkosten der Weine an einer imposanten Holztheke. Nur waren wir selbst an diesem Vormittag nicht ganz so professionell aufgestellt, denn im Tasting passiert uns ein klassischer Anfängerfehler: Die „gewürzige“ Stilistik des Ponte da Boga „P“ lässt uns zu der logischen Frage nach der Dauer des Ausbaus im Holz fragen. Die schockierende Antwort von Marta: „Der Wein war überhaupt nicht im Holz“. Uups! Natürlich versuchen wir uns noch rauszureden und faseln etwas von Gewürzen und Verwirrung und überhaupt. Dennoch steht für uns fest, dass unsere Fehleinschätzung den Wein umso interessanter macht und so nehmen wir ihn kurzerhand mit. Quasi als Beweismittel.

Mitgenommen von Ponte da Boga: 2013 „P“ Mencía

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Konfigurationen des Weinmachens

Wir machen uns auf in Richtung Parada de Sil. Während der Fahrt unterhalten sich der Weinlakai und sein Adlatus über die unterschiedlichen „Konfigurationen“ des Weinmachens, die sie auf dieser Dienstreise kennen gelernt haben.

Weinlakai: An der Rhône war die Größe der Betriebe auch ganz unterschiedlich, du fragst das ja immer fleißig ab.

Adlatus: Ja, da gab es die kleinen Domaines mit 20 Hektar, aber auch große mit 50, 60 Hektar. Allein über die Qualität der Weine sagt diese Zahl eigentlich nichts aus.

Weinlakai: Allerdings nicht, obgleich wir gern glauben, dass die kleineren Weingüter, den echten, authentischen Wein machen. Aber das ist ja nur eine Dimension von Qualität.

Adlatus: Na hier, und damit meine ich alle drei Anbaugebiete, die wir bislang besucht haben, ist man mit eigenen 30 Hektar schon ein richtig Großer. Das mag den Anspruch unterstreichen, aber die „Kleinen“ haben uns keinesfalls den schlechteren Wein präsentiert, oder?

Weinlakai: Keinesfalls, ich finde es eher spannend, wie jeder seinen Weg zu einem guten Wein zu finden versucht. Da gab es ja jetzt nicht „das“ Erfolgsrezept schlechthin, das immer und überall funktioniert. Die Winzer haben ganz unterschiedliche Rezepte – genau das interessiert mich.

Adlatus: Tradition spielt eine Rolle, familiäre Herkunft ….

Weinlakai: … und insbesondere in Galicien, wo wir jetzt schon viele „Rückkehrer“ kennengelernt haben.

Adlatus: Aber denke an unser Credo!

Weinlakai: Der Wein muss gut sein, nicht der Winzer – ich weiß.

Am Ende bekommt selbst unser sonst so verlässliches Navigationssystem Probleme, als wir nämlich die letzten Meter zu der Bodega „Ronsel do Sil“ suchen. Dort herrscht die Betriebsamkeit eines Ameisenhaufens und wir haben Mühe, unten den ganzen Menschen, die emsig beschäftigt sind, María José Yravedra Soriano zu finden. María José ist die „jefa“ der Bodega und steckt Hals über Kopf in der Vorbereitung auf die Weinlese. Ganz charmant erklärt sie uns, dass wir gerade in der „fase caotica“ zu Besuch kämen und jetzt einfach mit den Umständen leben müssten.

Das tun wir, selbst wenn María José immer mal wieder vom Verkostungstisch verschwindet, um Anweisungen zu erteilen, und uns das Zischen der Maschine, mit der die Hülsen übergestülpt werden, zum enervierenden Grundtakt des Gespräches wird. Zwischen 30.000 und 40.000 Flaschen füllt „Ronsel do Sil“ pro Jahr ab, die sich sehr erfolgreich in den USA, Australien und Japan verkaufen. María José kommt aus einer Familie mit Weinhistorie, arbeitet aber zunächst als Architektin, bevor sie die Ausbildung als Önologin absolvierte. Mit der eigenen Bodega in Ribeira Sacra erfüllte sie sich und ihrem Mann einen Lebenstraum. Höchstpersönlich plante sie die neue Kellerei, höchstpersönlich schwirrt sie nun immer wieder zwischen den Mitarbeitern rum, die sich auf die Lese des Godello vorbereiten.

Die Kellerei ist klein – nur 2,5 Hektar eigenen Grund – aber mit allem ausgestattet, was es braucht. Um so größer ist der eigene Anspruch an die Weine. Auch das zeichnet die energische María José aus. Wir merken, dass wir hier eher im Weg stehen, verzichten auf den Gang durch die Weingärten und machen uns an die Verkostung …. während der nach wie vor die Hülsenmaschine unbeirrbar zischt.

Die Weine

Vielleicht lag es an der Hektik, die auch an etwas an unserer Konzentration nagte, aber die Weine von Ronsel do Sil  waren wir uns keine Offenbarungen. Und das hätten sie eigentlich sein müssen, denn die dafür aufgerufenen Preise sind als durchaus happig zu bezeichnen. Vielleicht ist diese Preispolitik das Ergebnis des Erfolgs in den ausländischen Märkten. Zu unserer Auswahlstrategie passt sie leider nicht. Die Weine sind zwar durch die Bank weg gut, doch haben wir in den letzten Tagen so viele ebenbürtige Tropfen probiert, die deutlich weniger kosteten. So verlassen wir das bunte Treiben bei Ronsel do Sil leider ohne ein Mitbringsel.

Mitgenommen von Ronsel do Sil: Leider keinen Wein

 

Doppelte Stille und zwei Telefonate

Wer dachte, dass der Parador in Montforte nicht mehr zu übertreffen sei, hat den Parador Santo Estevo noch nicht gesehen (siehe Fotogalerie und Videoclip). Nach unserer Tagestour kehren wir in dieses alte Benediktiner-Kloster ein, das versteckt in einer abgelegen Bergfalte in der Nähe des Sil bewahrt liegt. Die Anfänge des Klosters reichen 1.400 Jahre zurück – die „heiligen“ Ufer im Namen der Region gehen wahrscheinlich auf solche Klostergründungen zurück. Im Laufe der Jahrhunderte ist entstanden, was unser stiller Wegbegleiter, Cees Nooteboom, nur als Glück empfinden könnte: Ein Bau, der Spuren von Romanik und Gotik zeigt, von Renaissance und Barock, und somit in einem vor Augen führt, was das einzigartig Unterschiedliche an Spanien ist.

Nachdem wir eingecheckt haben, umfängt uns das Schweigen des Gemäuers. Es herrscht absolute Stille innerhalb und außerhalb, und diese doppelte Abwesenheit jeglichen Geräusches wirkt nahezu verwirrend auf einen Menschen, der zuvor im brummenden Auto saß. Unser Ordnungsdrang befreit uns aus der Klausur der Ohren und wir sortieren im Vorhof des Paradors unsere bisherige Vorauswahl der Weine – quasi die Shortlist am Ende des sechsten Tages. Unser Treiben erregt die Aufmerksamkeit der anderen Hotelgäste, was uns amüsiert, und die unsere Flaschenparade ablaufenden Damen und Herren wiederum irritiert.

Der müde Weinlakai und sein noch matterer Adlatus entscheiden sich dazu, im Restaurant des Paradors zu essen – durchaus eine Empfehlung – und bitten daher erneut um die Erlaubnis, eigene Weine mitzubringen. Dieses Mal zeigt der Sommelier eher Interesse als Unmut. Zu Solomillo und Enten-Confit holen wir den 2014er Vega Montán „Mencía“ und den 2010er Vega Montán „Adría“ auf den Tisch und gedenken dabei dankbar schlürfend Paco. Der Sommelier, dessen Weinkarte manche Überschneidung mit den Stationen der Dienstreise aufweist, zeigt sich vom „Adría“ geradezu überschwänglich begeistert. Spontan rufen wir bei Paco in der Bodega an, erwischen aber nur den Anrufbeantworter des Mobiltelefons, den wir dennoch stellvertretend fragen müssen, ob er uns nicht doch noch eine Charge dieses Weines anbieten könne. Er antwortet aber nur „Pieieieieieieieieiep“.

Später, als wir bereits einen „McCallahan Amber“ zum Schlummertrunk erkoren haben, klingelt das Telefon und Paco ist dran. Klar, habe er noch etwas Wein für seine deutschen Freunde, beglückt er uns. Das weitere Gespräch fassen wir kurz zusammen, denn es endet in einer Empfehlung zum Wiederkauf eines bereits empfohlenen Weines. Was der Weinlakai über den 2010er „Adría“ im November des vergangenen Jahres geschrieben hat, gilt noch immer. Mehr noch: Der Wein hat über die letzten Monate noch eine Schippe draufgelegt. Wer also dieser neu-alten Empfehlung folgen möchte, wird bei Vipino fündig. Bitte unbedingt die -10%-Gutscheincode eingeben: Adria10

 

Das Parador Santo Estevo vom Hotelflur aus betrachtet:

Unser Streckenverlauf des heutigen Tages:

 

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