Zufallsbekanntschaften, Youngster im Keller und ein Winzer auf Hochtouren
Der zweite Tag im Bierzo ist leider auch unser letzter, weshalb wir heute noch drei weitere Bodegas ansteuern wollen. Im vornehmlich von Jakobs-Pilgern besuchten Parador in Villafranca del Bierzo – unsere Heimstatt für drei Nächte – stellen wir als irdische Wein-Gläubige die orthodoxe Minderheit.
Den ersten Halt am frühen Morgen machen wir in Quilós – nur wenige Kilometer von unserem Parador in Villafrance del Bierzo entfernt. Dort ist die „Bodegas Gancedo“ ansässig und hat in dem recht überschaubaren Dorf mit großem Geschick eine kleine, aber feine Kellerei aufgebaut. Hier laufen die Vorbereitungen für die Ernte ebenfalls auf Hochtouren. Alle packen mit an, schaffen Platz für die Anlieferung der Trauben. Luis López Armesto, Geschäftsführer der „Bodegas Gancedo“, verfrachtet uns aus dem betriebsamen Gewühl sofort in seinen alten Mercedes G und fährt mit uns hinauf in die Weinberge.
Rund 19 Hektar eigene Weingärten bewirtschaftet die Bodega, darüber hinaus kauft man Trauben von ausgesuchten Weinbauern dazu. Aber in Quilós hat man noch einen Plan B in der Tasche. In Nachbarschaft zu den eigenen Weingärten, allesamt zwischen 500 und 600 Metern gelegen, hat die Bodega Wald- und andere Stücke hinzugekauft. Parzelle für Parzelle roden sie nun den Wald, anschließend wird der Boden für die Reben aufbereitet, indem zwei, drei Jahre lang Getreide angebaut wird. Erst dann setzt man die neuen Reben und darf nach weiteren fünf Jahren auf eine erste, kleine Ernte hoffen.
Das verlangt Weitsicht, einen langen finanziellen Atem und unerschütterliche Leidenschaft. „Wie macht man mit Wein ein kleines Vermögen?“, fragt Luis López Armesto unvermittelt und schießt die Antwort gleich nach: „Indem man mit einem großen Vermögen anfängt!“ Doch der Schwung mit dem die „Bodegas Gancedo“ ihre Ziel verfolgt, beeindruckt. So zählen Hector, der für den Keller verantwortlich zeichnet, und Fidel, der in den Weinbergen das Sagen hat, keine 30 Jahre und sind damit zusammen jünger als viele der Weinstöcke, deren Trauben sie verarbeiten.
Unsere Rundfahrt zu den verstreuten Weingärten dauert fast zwei Stunden, was zeigt, welche Schwierigkeiten diese Kleinteiligkeit mit sich bringt. Lange Anfahrtswege, schwierige Zugänglichkeit einzelner Stücke, die dann in kaum drei Stunden abgeerntet sind. Zurück im Keller der Bodega machen wir uns an die Verkostung der Weine.
Gancedo – Die Weine
Besonders gut gefallen mir bei Gancedo deren Weißweine aus der Godello-Traube. Insbesondere Stachelbeeren, Kiwis und Ananas finden sich hier in der Nase. Das alles aber in einer sehr feinen und unaufdringlichen Art und Weise. Insbesondere der „Capricho“ macht große Freude, da er sich sehr offen präsentiert und auch am Gaumen ordentlich „Punch“ besitzt, ohne dass ihm an Säure fehlt. Zudem besitzt der Wein ein hervorragendes Preis-/Genussverhältnis.
Mitgenommen von Gancedo: 2014 „Capricho“ Godello
Eine sichere Bank und der Überraschungsgast
Weiter geht’s mit einem alten Bekannter des Weinlakais, die „Bodegas Adría„. Deren „2010 Vega Montán Adría“ ist eine der erfolgreichsten Weinlakai-Empfehlungen der vergangenen Jahre gewesen, weshalb uns der Besuch bei Francisco Fernández Pflicht- und Wunschtermin in einem ist. Als uns Paco – wie wir schon bald sagen dürfen – vor dem repräsentativen, ockerfarbenen Bau empfängt, steht neben ihm ein freundlicher Herr, der uns interessiert mit strahlenden Augen begrüßt.
Unsere Überraschung könnte kaum größer sein, denn die „Zufallsbekanntschaft“ erweist sich als Javier Rodriguez, der mit seinen Weinen und Projekten – vornehmlich im Rioja und Ribera del Duero, aber ebenso in den D.O. Rueda, Toro oder Priorat – auch international kein Unbekannter ist. Er habe über Paco gehört, dass zwei deutsche Journalisten kämen und wolle die Gelegenheit nutzen, sich und seine Weine vorzustellen.
So ergibt sich spontan eine Doppelverkostung bei der wir die Weiß- und Rotweine der „Bodegas Adría“ im Vergleich zu Weinen anderer spanischer Anbaugebiete erleben dürfen. Eine Art Dialog der Regionen, der uns auch hilft, ein tieferes Verständnis für den Bierzo und seine Rebsorten Mencía und Godello zu entwickeln.
Bodegas Adría – Die Weine
Zum 2010er Adría muss nun nichts mehr geschrieben werden, der Wein hat in den vergangenen Monaten noch deutlich zugelegt und befindet sich nun in perfekter Trinkreife. Eine weitere Überraschung lieferte aber sein „kleiner Bruder“ mit dem schlichten Namen „Mencía“. Was hier zu einem noch günstigeren Preis auf die Flasche kommt macht einen Heidenspaß. So pur, so rein und aromatisch hatte ich noch keinen Mencía im Glas. Dabei wirkt er keineswegs zu leicht oder einfach. Im Gegenteil: Das verführerische Fruchtaroma mit Veilchenduft und roten Johannisbeeren sorgt unweigerlich für Schluckreflex. Den nehmen wir mit!
Die von uns verkosteten Weine von Javier Rodriguez sind nicht weniger als spektakulär. Insbesondere in Anbetracht der dafür aufgerufenen Verkaufspreise. Allerdings müssen wir unsere Begeisterung etwas bremsen, denn seine wirklichen Highlight-Weine stammen nicht aus der von uns besuchten Gegend. Aber wie sagt man so schön: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wir wären wahnsinnig, wenn wir uns mit seinen Weinen in Zukunft nicht weiter beschäftigen würden.
Mitgenommen von der Bodegas Adría: 2014 Vega Montán „Mencía“
Es ist ein Vergnügen, mit Paco und Javier über die Weine zu sprechen, die wir probieren, über das Potential der einzelnen Regionen des großen Landes und die Überraschungen, die der Weinfreund noch aus Spanien zu erwarten hat. Von der „Bodegas Adría“ nehmen wir einen heißen Kandidaten für unsere Auswahl mit und das Gefühl, wieder etwas mehr über den Bierzo verstanden zu haben. Dabei hat die bodenständige, fast selbstverständliche Zuneigung, mit der Paco über die Weine der Bodega sprach, bei uns einen besonderen Eindruck hinterlassen.
Der Tausendsassa der Region
Inzwischen ist es Nachmittag geworden, doch unser Weg zur nächsten Station ist nicht weit. Das Ziel ist die Bodega „Palacio de Canedo“ des im Bierzo als Tausendsassa verschrienen José Luís Prada. Das Konterfei des Gründers und sein Wahlspruch „Prada a tope“ – was soviel wie „Prada auf Hochtouren“ bedeutet – sind auf dem weitläufigen Weingut allgegenwärtig. Wobei Weingut nicht ganz das trifft, was sich uns zeigt.
1987, ein Jahr bevor der Bierzo als Denominación de Origen klassifiziert wird, erwirbt José Luís Prada den alten, baufälligen Herzogspalast in Canedo, einem Nachbardorf seines Geburtsorts Cacabelo. Seit den frühen 1970er Jahren verkauft Prada Wein, vor allem aber macht er in Früchten und Paprika. Die eingemachten Birnen und Kastanien sowie die „pimientos asados“ begründen seinen Namen noch vor dem Wein und verschaffen ihm die finanziellen Möglichkeiten für das ehrgeizige Projekt des „Palacio de Canedo“.
Der Palast wurde mühevoll und mit Blick für das handwerkliche Detail wiederhergestellt und zählt mit dem großen Laden für Lebensmittel und Getränke aus dem Prada-Reich, dem Restaurant, der Kellerei und den ausgedehnten Weinbergen zu den beliebtesten Ausflugszielen der Region (siehe auch unten stehende Fotogalerie). So nehmen wir die Besichtigung der einzelnen Lagen auch in einer elektrischen angetrieben Minibahn vor. Doch man sollte sich von diesem Trubel und den ungewohnten Dimensionen nicht täuschen lassen. Die Weine, die wir mit Exportchef Manuel López Alvarez und dem Önologen José Manuel Ferreira San Miguel verkosten, haben ihre Qualität und eigenen Charme.
Palacio de Canedo – Die Weine
Das Foto in unten stehender Galerie macht deutlich, dass wir wirklich jeden Wein von Palacio de Canedo verkostet haben. Gefühlt waren es um die 150 verschiedene Weine, es können aber auch mehr gewesen sein. Interessanterweise war ich von der Gesamtqualität des Line-Ups nicht 100%ig überzeugt, doch gefiel mir einer der Weine außerordentlich gut. Der 2009er Crianza präsentierte sich mit seinem Alter von sechs Jahren fantastisch gereift und kam stilistisch einem Bordeaux verdammt nahe. Nur selten bekommt man einen Wein vorgesetzt, der seine anstrengende Jugendlichkeit bereits überwunden hat und sich perfekt auf dem Punkt befindet. In der Regel sind diese Weine nämlich schon ausverkauft. Den mussten wir also einpacken.
Mitgenommen von Palacio de Canedo: 2009 Mencía Crianza
Inzwischen dämmert es bereits, graue Wolke ziehen vereinzelt und schnell am Himmel über dem weiten Halbrund des Talkessels dahin. Doch anstatt die Melancholie dieses Ausblicks zu nutzen und in den Parador in Villafranca zurückzukehren, um mit dem Schreiben zu beginnen, folgen wir nur allzu gern der Einladung von José Luís und seiner Frau. Während der Sommermonate leben sie im alten, umgebauten Taubenschlag des Herzogpalastes und auf der Terrasse ist der Tisch bereits gedeckt.
Zur Ausarbeitung der Notizen kommen wir an diesem Abend nicht mehr. Manuel, der Export-Manager, und Önologe José samt Familie mit Baby kommen noch hinzu. Es wird lange gegessen und gut getrunken, viel diskutiert und noch mehr gelacht. Dabei versteht es José Luís, der auch einer der ersten Präsidenten des Consejo Regulador des Bierzo und bereits zwei Mal Bürgermeister von Canedo war, mit mancher Anekdote und ungewöhnlichen Hintergründen zu unterhalten. Zu guter letzt müssen der Weinlakai und sein Adlatus noch die deutsche Fußballehre am Kickertisch verteidigen. Der Chef höchstpersönlich und Manuel, der Filius, haben uns herausgefordert. Am Ende steht ein Unentschieden gegen die wieselflinken Spanier am heimischen Spielgerät.
Als wir uns gegen Mitternacht verabschieden, beginnt es zu regnen und ein Gewitter zieht kurz und heftig über uns hinweg. Schlecht für die geplante Ernte: Amancio und Isidro, Paco, Luís und José Luís werden wohl noch warten müssen. Für uns jedoch lief dieser Tag wirklich „a tope“.
Bereits zum zweiten Mal innerhalb der letzten Jahre darf ich die spanische Weinregion Ribera del Duero besuchen. Es könnte kaum einen besseren Anlass geben,...
Tag 3: Kreuz & quer durch den Bierzo
Zufallsbekanntschaften, Youngster im Keller und ein Winzer auf Hochtouren
Der zweite Tag im Bierzo ist leider auch unser letzter, weshalb wir heute noch drei weitere Bodegas ansteuern wollen. Im vornehmlich von Jakobs-Pilgern besuchten Parador in Villafranca del Bierzo – unsere Heimstatt für drei Nächte – stellen wir als irdische Wein-Gläubige die orthodoxe Minderheit.
Hier den speziellen Dienstreise-Newsletter abonnieren, um von den täglichen Updates zu erfahren.
Den ersten Halt am frühen Morgen machen wir in Quilós – nur wenige Kilometer von unserem Parador in Villafrance del Bierzo entfernt. Dort ist die „Bodegas Gancedo“ ansässig und hat in dem recht überschaubaren Dorf mit großem Geschick eine kleine, aber feine Kellerei aufgebaut. Hier laufen die Vorbereitungen für die Ernte ebenfalls auf Hochtouren. Alle packen mit an, schaffen Platz für die Anlieferung der Trauben. Luis López Armesto, Geschäftsführer der „Bodegas Gancedo“, verfrachtet uns aus dem betriebsamen Gewühl sofort in seinen alten Mercedes G und fährt mit uns hinauf in die Weinberge.
Rund 19 Hektar eigene Weingärten bewirtschaftet die Bodega, darüber hinaus kauft man Trauben von ausgesuchten Weinbauern dazu. Aber in Quilós hat man noch einen Plan B in der Tasche. In Nachbarschaft zu den eigenen Weingärten, allesamt zwischen 500 und 600 Metern gelegen, hat die Bodega Wald- und andere Stücke hinzugekauft. Parzelle für Parzelle roden sie nun den Wald, anschließend wird der Boden für die Reben aufbereitet, indem zwei, drei Jahre lang Getreide angebaut wird. Erst dann setzt man die neuen Reben und darf nach weiteren fünf Jahren auf eine erste, kleine Ernte hoffen.
Das verlangt Weitsicht, einen langen finanziellen Atem und unerschütterliche Leidenschaft. „Wie macht man mit Wein ein kleines Vermögen?“, fragt Luis López Armesto unvermittelt und schießt die Antwort gleich nach: „Indem man mit einem großen Vermögen anfängt!“ Doch der Schwung mit dem die „Bodegas Gancedo“ ihre Ziel verfolgt, beeindruckt. So zählen Hector, der für den Keller verantwortlich zeichnet, und Fidel, der in den Weinbergen das Sagen hat, keine 30 Jahre und sind damit zusammen jünger als viele der Weinstöcke, deren Trauben sie verarbeiten.
Unsere Rundfahrt zu den verstreuten Weingärten dauert fast zwei Stunden, was zeigt, welche Schwierigkeiten diese Kleinteiligkeit mit sich bringt. Lange Anfahrtswege, schwierige Zugänglichkeit einzelner Stücke, die dann in kaum drei Stunden abgeerntet sind. Zurück im Keller der Bodega machen wir uns an die Verkostung der Weine.
Gancedo – Die Weine
Besonders gut gefallen mir bei Gancedo deren Weißweine aus der Godello-Traube. Insbesondere Stachelbeeren, Kiwis und Ananas finden sich hier in der Nase. Das alles aber in einer sehr feinen und unaufdringlichen Art und Weise. Insbesondere der „Capricho“ macht große Freude, da er sich sehr offen präsentiert und auch am Gaumen ordentlich „Punch“ besitzt, ohne dass ihm an Säure fehlt. Zudem besitzt der Wein ein hervorragendes Preis-/Genussverhältnis.
Mitgenommen von Gancedo: 2014 „Capricho“ Godello
Eine sichere Bank und der Überraschungsgast
Weiter geht’s mit einem alten Bekannter des Weinlakais, die „Bodegas Adría„. Deren „2010 Vega Montán Adría“ ist eine der erfolgreichsten Weinlakai-Empfehlungen der vergangenen Jahre gewesen, weshalb uns der Besuch bei Francisco Fernández Pflicht- und Wunschtermin in einem ist. Als uns Paco – wie wir schon bald sagen dürfen – vor dem repräsentativen, ockerfarbenen Bau empfängt, steht neben ihm ein freundlicher Herr, der uns interessiert mit strahlenden Augen begrüßt.
Unsere Überraschung könnte kaum größer sein, denn die „Zufallsbekanntschaft“ erweist sich als Javier Rodriguez, der mit seinen Weinen und Projekten – vornehmlich im Rioja und Ribera del Duero, aber ebenso in den D.O. Rueda, Toro oder Priorat – auch international kein Unbekannter ist. Er habe über Paco gehört, dass zwei deutsche Journalisten kämen und wolle die Gelegenheit nutzen, sich und seine Weine vorzustellen.
So ergibt sich spontan eine Doppelverkostung bei der wir die Weiß- und Rotweine der „Bodegas Adría“ im Vergleich zu Weinen anderer spanischer Anbaugebiete erleben dürfen. Eine Art Dialog der Regionen, der uns auch hilft, ein tieferes Verständnis für den Bierzo und seine Rebsorten Mencía und Godello zu entwickeln.
Bodegas Adría – Die Weine
Zum 2010er Adría muss nun nichts mehr geschrieben werden, der Wein hat in den vergangenen Monaten noch deutlich zugelegt und befindet sich nun in perfekter Trinkreife. Eine weitere Überraschung lieferte aber sein „kleiner Bruder“ mit dem schlichten Namen „Mencía“. Was hier zu einem noch günstigeren Preis auf die Flasche kommt macht einen Heidenspaß. So pur, so rein und aromatisch hatte ich noch keinen Mencía im Glas. Dabei wirkt er keineswegs zu leicht oder einfach. Im Gegenteil: Das verführerische Fruchtaroma mit Veilchenduft und roten Johannisbeeren sorgt unweigerlich für Schluckreflex. Den nehmen wir mit!
Die von uns verkosteten Weine von Javier Rodriguez sind nicht weniger als spektakulär. Insbesondere in Anbetracht der dafür aufgerufenen Verkaufspreise. Allerdings müssen wir unsere Begeisterung etwas bremsen, denn seine wirklichen Highlight-Weine stammen nicht aus der von uns besuchten Gegend. Aber wie sagt man so schön: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wir wären wahnsinnig, wenn wir uns mit seinen Weinen in Zukunft nicht weiter beschäftigen würden.
Mitgenommen von der Bodegas Adría: 2014 Vega Montán „Mencía“
Es ist ein Vergnügen, mit Paco und Javier über die Weine zu sprechen, die wir probieren, über das Potential der einzelnen Regionen des großen Landes und die Überraschungen, die der Weinfreund noch aus Spanien zu erwarten hat. Von der „Bodegas Adría“ nehmen wir einen heißen Kandidaten für unsere Auswahl mit und das Gefühl, wieder etwas mehr über den Bierzo verstanden zu haben. Dabei hat die bodenständige, fast selbstverständliche Zuneigung, mit der Paco über die Weine der Bodega sprach, bei uns einen besonderen Eindruck hinterlassen.
Der Tausendsassa der Region
Inzwischen ist es Nachmittag geworden, doch unser Weg zur nächsten Station ist nicht weit. Das Ziel ist die Bodega „Palacio de Canedo“ des im Bierzo als Tausendsassa verschrienen José Luís Prada. Das Konterfei des Gründers und sein Wahlspruch „Prada a tope“ – was soviel wie „Prada auf Hochtouren“ bedeutet – sind auf dem weitläufigen Weingut allgegenwärtig. Wobei Weingut nicht ganz das trifft, was sich uns zeigt.
1987, ein Jahr bevor der Bierzo als Denominación de Origen klassifiziert wird, erwirbt José Luís Prada den alten, baufälligen Herzogspalast in Canedo, einem Nachbardorf seines Geburtsorts Cacabelo. Seit den frühen 1970er Jahren verkauft Prada Wein, vor allem aber macht er in Früchten und Paprika. Die eingemachten Birnen und Kastanien sowie die „pimientos asados“ begründen seinen Namen noch vor dem Wein und verschaffen ihm die finanziellen Möglichkeiten für das ehrgeizige Projekt des „Palacio de Canedo“.
Der Palast wurde mühevoll und mit Blick für das handwerkliche Detail wiederhergestellt und zählt mit dem großen Laden für Lebensmittel und Getränke aus dem Prada-Reich, dem Restaurant, der Kellerei und den ausgedehnten Weinbergen zu den beliebtesten Ausflugszielen der Region (siehe auch unten stehende Fotogalerie). So nehmen wir die Besichtigung der einzelnen Lagen auch in einer elektrischen angetrieben Minibahn vor. Doch man sollte sich von diesem Trubel und den ungewohnten Dimensionen nicht täuschen lassen. Die Weine, die wir mit Exportchef Manuel López Alvarez und dem Önologen José Manuel Ferreira San Miguel verkosten, haben ihre Qualität und eigenen Charme.
Palacio de Canedo – Die Weine
Das Foto in unten stehender Galerie macht deutlich, dass wir wirklich jeden Wein von Palacio de Canedo verkostet haben. Gefühlt waren es um die 150 verschiedene Weine, es können aber auch mehr gewesen sein. Interessanterweise war ich von der Gesamtqualität des Line-Ups nicht 100%ig überzeugt, doch gefiel mir einer der Weine außerordentlich gut. Der 2009er Crianza präsentierte sich mit seinem Alter von sechs Jahren fantastisch gereift und kam stilistisch einem Bordeaux verdammt nahe. Nur selten bekommt man einen Wein vorgesetzt, der seine anstrengende Jugendlichkeit bereits überwunden hat und sich perfekt auf dem Punkt befindet. In der Regel sind diese Weine nämlich schon ausverkauft. Den mussten wir also einpacken.
Mitgenommen von Palacio de Canedo: 2009 Mencía Crianza
Inzwischen dämmert es bereits, graue Wolke ziehen vereinzelt und schnell am Himmel über dem weiten Halbrund des Talkessels dahin. Doch anstatt die Melancholie dieses Ausblicks zu nutzen und in den Parador in Villafranca zurückzukehren, um mit dem Schreiben zu beginnen, folgen wir nur allzu gern der Einladung von José Luís und seiner Frau. Während der Sommermonate leben sie im alten, umgebauten Taubenschlag des Herzogpalastes und auf der Terrasse ist der Tisch bereits gedeckt.
Zur Ausarbeitung der Notizen kommen wir an diesem Abend nicht mehr. Manuel, der Export-Manager, und Önologe José samt Familie mit Baby kommen noch hinzu. Es wird lange gegessen und gut getrunken, viel diskutiert und noch mehr gelacht. Dabei versteht es José Luís, der auch einer der ersten Präsidenten des Consejo Regulador des Bierzo und bereits zwei Mal Bürgermeister von Canedo war, mit mancher Anekdote und ungewöhnlichen Hintergründen zu unterhalten. Zu guter letzt müssen der Weinlakai und sein Adlatus noch die deutsche Fußballehre am Kickertisch verteidigen. Der Chef höchstpersönlich und Manuel, der Filius, haben uns herausgefordert. Am Ende steht ein Unentschieden gegen die wieselflinken Spanier am heimischen Spielgerät.
Als wir uns gegen Mitternacht verabschieden, beginnt es zu regnen und ein Gewitter zieht kurz und heftig über uns hinweg. Schlecht für die geplante Ernte: Amancio und Isidro, Paco, Luís und José Luís werden wohl noch warten müssen. Für uns jedoch lief dieser Tag wirklich „a tope“.
Unser Streckenverlauf des heutigen Tages:
Ähnliche Beiträge
ÄHNLICHE ARTIKEL
Samu Haber macht in Wein: Lumi Riesling aus der Pfalz
Der Weinpapst im Interview: Robert M. Parker, Jr.