Vor knapp vier Monaten machten wir uns zur ersten Dienstreise an die südliche Rhône auf und brachten aus den Appellationen nördlich von Avignon wunderbare Weine mit. Nun geht es in die zweite Runde und der weinsuchende Weg führt uns in weltlicher Anlehnung an frühere Pilger in den Nordwesten Spaniens. Viele, denen wir vorab von dieser Ecke an Atlantik und Golf von Biscaya erzählten, baten sofort um geographische Aufklärung. Ist das Galicien? Wie heißen die Anbaugebiete? Und liegt dort nicht auch Santiago de Compostela?
Beginnen wir ausnahmsweise in der Mitte – nämlich des Landes. Und zwar in Madrid, wo uns der Flieger am Spätnachmittag bei garantiert spanischen Sommertemperaturen ausspuckt. Mit dem Auto geht es über das Schnellstraßengewirr Madrids hinaus in die offene Landschaft, Richtung Segovia und Valladolid. Nachdem wir die Sierra Guadarrama überfahren haben, gleiten wir über die kastilische Hochebene der untergehenden Sonne entgegen. Wir haben noch keinen Schluck Wein getrunken, aber das Dienstreise-Fieber hat uns bereits erfasst.
An diesem Tag der Anreise schaffen wir es bis Tordesillas, wo wir im Parador übernachten, um am folgenden Morgen den Sprung in den Bierzo zu machen und die ersten Weingüter zu besuchen. Tordesillas hat irrsinnig Geschichte zu bieten: Hier war Johanna die Wahnsinnige, die Tochter der Katholischen Könige Isabella und Ferdinand und Mutter Karls V., dauerhaft „untergebracht“. Das eigentlich Irrsinnige daran ist, dass die Forschung bis heute darüber streitet, ob Juana la Loca tatsächlich verwirrt war oder einfach nur machtpolitisch im Wege stand.
In Tordesillas wurde auch der Vertrag zwischen Spanien und Portugal geschlossen (1494), der die Neuentdeckungen in Amerika entlang einer geraden, von Nord nach Süd verlaufenden Linie aufteilte. Das waren noch Zeiten, da man an Linien als Grenzen glaubte. Eine gewisse Grenze stellt Tordesillas auch für unsere Dienstreise dar. Wir wenden uns eben nicht den Anbaugebieten entlang des Duero zu, der die Stadt von einer Seite einfasst. Wir fahren nicht in die DO Ribera del Duero, La Rueda, Torro oder Cigales …. sondern überschreiten diesen Limes probierfreudig und pilgern weiter gen Nordwesten.
Eines nehmen wir über diese Grenze mit, denn die Wahl unserer Unterkunft bildet einen versteckten roten Faden der Dienstreise. Eigentlich ist der Adlatus und seine Schwäche für den niederländischen Autoren und Spanienliebhaber Cees Nooteboom der Auslöser gewesen. Der sei auf seinen Reisen nur in den Paradores abgestiegen, und sein „Umweg nach Santiago“ sei eigentlich wie unsere Dienstreise. Lassen wir uns also inspirieren, hoffen wir auf alte historische Gemäuer und darauf, dass wir immer mitten in der Region sind. Freuen wir uns auf die Paradores in Villafranca del Bierzo, in Montforte de Lemos, auf den Parador San Estevo und die letzte Station in Cambados. Und glauben wir an Cees Nooteboom, der den Umweg als absolut zielführend ansah.
Das Abendgebet
Der Parador von Tordesillas liegt am Rand der Stadt inmitten eines zirpende Stille stiftenden Pinienwaldes. Eigentlich erst wenige Jahrzehnte alt, kommt der Bau im schlicht gehaltenen kastilischen Stil dem deutschen Reisenden schon ziemlich spanisch vor. Wir geben uns dem hin und schreiten brav zu einem ersten Wein in die Bar des Paradors. Dazu ein paar Raciónes – Wurst, Schinken, Käse – und die fortgesetzte Spanifizierung gibt Muße, noch einmal über die kommenden Tage zu reden.
Weinlakai: Du, ich freue mich auf den ersten Mencía vor Ort im Bierzo. Ich habe schon einige Weine dieser Rebsorte probiert und bereits über diese Rebsorte geschrieben. Aber morgen bin ich zum ersten Mal da.
Adlatus: Das müssen wir alles im Blog erklären – mit den Rebsorten und den kleinteiligen Anbaugebieten. Das haben die Leser bei der ersten Dienstreise vermisst.
Weinlakai: Auf jeden Fall, so erklärt sich auch der besondere Reiz dieser Dienstreise. Vier Anbaugebiete in sieben Tagen, die Varianten von Böden und Klima – das wird spannend.
Adlatus: Und als Rebsorten Godello und Mencía und später Albariño – schon klar. Geht es noch unverständlicher?
Weinlakai: Vale! Morgen fahren wir in den Bierzo, seit 1988 eine D.O. ….
Adlatus: … Denominación de Origen …
Weinlakai: … liegt diese Region von bis zu 2.000 Meter hohen Bergketten umgeben, in einer hügeligen Hochebene. Ganz wichtig für das warme, manchmal heiße, aber selten zu heiße und trockene Mikroklima. Da mischt sich das feuchte Wetter vom Atlantik mit dem trockenen Klima Kastiliens.
Adlatus: Und nur mal am Rande, der Bierzo ist auch bekannt für sein Obst und Gemüse. Es gibt beispielsweise eine Birnen- und einen Apfelsorte, die ebenfalls ein D.O. haben, nicht nur der Wein.
Weinlakai: Prägend für den Bierzo – aber nicht nur für dieses Gebiet – sind der weiße Godello und der rote Mencía. Aber sicherlich treffen wir noch auf andere Rebsorten. (Pause) Ach so, mit rund 4.200 Hektar zählt die D.O. weder zu den kleinen, noch zu den großen Anbaugebieten in Spanien.
Adlatus: Hombre, das war zum Mitschreiben.
Weinlakai: Und um die Frage zu beantworten, die wir so oft gehört haben: Der Bierzo zählt noch zu Castilla-León, die anderen Anbaugebiete, die wir besuchen, liegen in Galicien. – – – Zufrieden?
Adlatus: Unbedingt. Du hast dir noch einen Wein verdient.
Bereits zum zweiten Mal innerhalb der letzten Jahre darf ich die spanische Weinregion Ribera del Duero besuchen. Es könnte kaum einen besseren Anlass geben,...
Tag 1: Eine Pilgerfahrt als Dienstreise
Der Bierzo – eine spanische Annäherung
Vor knapp vier Monaten machten wir uns zur ersten Dienstreise an die südliche Rhône auf und brachten aus den Appellationen nördlich von Avignon wunderbare Weine mit. Nun geht es in die zweite Runde und der weinsuchende Weg führt uns in weltlicher Anlehnung an frühere Pilger in den Nordwesten Spaniens. Viele, denen wir vorab von dieser Ecke an Atlantik und Golf von Biscaya erzählten, baten sofort um geographische Aufklärung. Ist das Galicien? Wie heißen die Anbaugebiete? Und liegt dort nicht auch Santiago de Compostela?
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Beginnen wir ausnahmsweise in der Mitte – nämlich des Landes. Und zwar in Madrid, wo uns der Flieger am Spätnachmittag bei garantiert spanischen Sommertemperaturen ausspuckt. Mit dem Auto geht es über das Schnellstraßengewirr Madrids hinaus in die offene Landschaft, Richtung Segovia und Valladolid. Nachdem wir die Sierra Guadarrama überfahren haben, gleiten wir über die kastilische Hochebene der untergehenden Sonne entgegen. Wir haben noch keinen Schluck Wein getrunken, aber das Dienstreise-Fieber hat uns bereits erfasst.
An diesem Tag der Anreise schaffen wir es bis Tordesillas, wo wir im Parador übernachten, um am folgenden Morgen den Sprung in den Bierzo zu machen und die ersten Weingüter zu besuchen. Tordesillas hat irrsinnig Geschichte zu bieten: Hier war Johanna die Wahnsinnige, die Tochter der Katholischen Könige Isabella und Ferdinand und Mutter Karls V., dauerhaft „untergebracht“. Das eigentlich Irrsinnige daran ist, dass die Forschung bis heute darüber streitet, ob Juana la Loca tatsächlich verwirrt war oder einfach nur machtpolitisch im Wege stand.
In Tordesillas wurde auch der Vertrag zwischen Spanien und Portugal geschlossen (1494), der die Neuentdeckungen in Amerika entlang einer geraden, von Nord nach Süd verlaufenden Linie aufteilte. Das waren noch Zeiten, da man an Linien als Grenzen glaubte. Eine gewisse Grenze stellt Tordesillas auch für unsere Dienstreise dar. Wir wenden uns eben nicht den Anbaugebieten entlang des Duero zu, der die Stadt von einer Seite einfasst. Wir fahren nicht in die DO Ribera del Duero, La Rueda, Torro oder Cigales …. sondern überschreiten diesen Limes probierfreudig und pilgern weiter gen Nordwesten.
Eines nehmen wir über diese Grenze mit, denn die Wahl unserer Unterkunft bildet einen versteckten roten Faden der Dienstreise. Eigentlich ist der Adlatus und seine Schwäche für den niederländischen Autoren und Spanienliebhaber Cees Nooteboom der Auslöser gewesen. Der sei auf seinen Reisen nur in den Paradores abgestiegen, und sein „Umweg nach Santiago“ sei eigentlich wie unsere Dienstreise. Lassen wir uns also inspirieren, hoffen wir auf alte historische Gemäuer und darauf, dass wir immer mitten in der Region sind. Freuen wir uns auf die Paradores in Villafranca del Bierzo, in Montforte de Lemos, auf den Parador San Estevo und die letzte Station in Cambados. Und glauben wir an Cees Nooteboom, der den Umweg als absolut zielführend ansah.
Das Abendgebet
Der Parador von Tordesillas liegt am Rand der Stadt inmitten eines zirpende Stille stiftenden Pinienwaldes. Eigentlich erst wenige Jahrzehnte alt, kommt der Bau im schlicht gehaltenen kastilischen Stil dem deutschen Reisenden schon ziemlich spanisch vor. Wir geben uns dem hin und schreiten brav zu einem ersten Wein in die Bar des Paradors. Dazu ein paar Raciónes – Wurst, Schinken, Käse – und die fortgesetzte Spanifizierung gibt Muße, noch einmal über die kommenden Tage zu reden.
Weinlakai: Du, ich freue mich auf den ersten Mencía vor Ort im Bierzo. Ich habe schon einige Weine dieser Rebsorte probiert und bereits über diese Rebsorte geschrieben. Aber morgen bin ich zum ersten Mal da.
Adlatus: Das müssen wir alles im Blog erklären – mit den Rebsorten und den kleinteiligen Anbaugebieten. Das haben die Leser bei der ersten Dienstreise vermisst.
Weinlakai: Auf jeden Fall, so erklärt sich auch der besondere Reiz dieser Dienstreise. Vier Anbaugebiete in sieben Tagen, die Varianten von Böden und Klima – das wird spannend.
Adlatus: Und als Rebsorten Godello und Mencía und später Albariño – schon klar. Geht es noch unverständlicher?
Weinlakai: Vale! Morgen fahren wir in den Bierzo, seit 1988 eine D.O. ….
Adlatus: … Denominación de Origen …
Weinlakai: … liegt diese Region von bis zu 2.000 Meter hohen Bergketten umgeben, in einer hügeligen Hochebene. Ganz wichtig für das warme, manchmal heiße, aber selten zu heiße und trockene Mikroklima. Da mischt sich das feuchte Wetter vom Atlantik mit dem trockenen Klima Kastiliens.
Adlatus: Und nur mal am Rande, der Bierzo ist auch bekannt für sein Obst und Gemüse. Es gibt beispielsweise eine Birnen- und einen Apfelsorte, die ebenfalls ein D.O. haben, nicht nur der Wein.
Weinlakai: Prägend für den Bierzo – aber nicht nur für dieses Gebiet – sind der weiße Godello und der rote Mencía. Aber sicherlich treffen wir noch auf andere Rebsorten. (Pause) Ach so, mit rund 4.200 Hektar zählt die D.O. weder zu den kleinen, noch zu den großen Anbaugebieten in Spanien.
Adlatus: Hombre, das war zum Mitschreiben.
Weinlakai: Und um die Frage zu beantworten, die wir so oft gehört haben: Der Bierzo zählt noch zu Castilla-León, die anderen Anbaugebiete, die wir besuchen, liegen in Galicien. – – – Zufrieden?
Adlatus: Unbedingt. Du hast dir noch einen Wein verdient.
Weinlakai: Amen!
Unsere Fotoeindrücke des ersten Tages:
Der Streckenverlauf des heutigen Tages:
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