Grosse Gewächse 2008!

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Mit dem Ziel ein konsumentenfreundliches Regelwerk in Bezug auf die Qualität von deutschen Weinen zu etablieren, verabschiedete der VDP 2002 eine überregionale Einteilung in drei Qualitätsstufen – eine Art Kombination aus den vorhandenen Klassifizierungen im Burgund und Bordeaux. Die unterste Stufe dieser VDP-Klassifikation wird durch die sogenannten „Guts- und Ortsweine“ markiert, auf der folgenden Stufe findet man Weine aus „klassifizierten Lagen“. Die höchste Stufe der Weinqualität sind die Weine der „Ersten Lagen“. Sie stammen nur aus den besten Parzellen, den Filetstücken der klassifizierten Lagen. „Grosse Gewächse“ (im Rheingau „Erste Gewächse“) gehören zu den Weinen der „Ersten Lagen“, müssen jedoch immer trocken (max. 9g Restzucker pro l) ausgebaut sein. Sie gibt es in regional fest definierten Rebsorten, weiß und rot.

Um die angestrebte Qualität der Weine aus diesem besonders guten

Rebmaterial auch tatsächlich zu erreichen, müssen die Trauben

handverlesen bzw. selektiert werden und es dürfen pro Hektar nur 50hl

gewonnen werden. Die Flaschen von Weinen dieser Qualität sind gut zu

identifizieren, denn sie tragen am Flaschenhals eine stilisierte 1 mit

einer Traube (siehe Abbildung) – eine Anspielung auf die Überkategorie „Erste Lage“.

Wenn nun ein neuer Jahrgang von Rieslingen in „Grosser Gewächs“-Qualität erscheinen, ist das immer etwas ganz Besonderes für Riesling-Freunde auf der ganzen Welt. Nicht nur sind deutsche Rieslinge die Spitze der Rebsorte, sie gehören auch unbestritten zu den besten Weißweinen der Welt.

So freute es den Weinlakai sehr als er von dem Weinkenner, Riesling-Enthusiasten, Blogger-Kollegen und Weinlakai-Forums-Moderator Martin Zwick eine Einladung zu einer privaten Verkostung von 36 (!) Grossen Gewächsen aus dem aktuellen Jahgang 2008 erhielt. Was dort unter dem Motto „Berlin Riesling Cup“ in mundgeblasene Gläser von ZALTO gefüllt wurde, befand sich teils noch gar nicht in der finalen Flaschenabfüllung und so stellte es ein großes Privileg dar, die Weine so früh probieren zu können.

Zunächst ein Zitat der Winzer Klaus-Peter Keller und Philipp Wittmann aus Rheinhessen über den Vegetationsverlauf in 2008: „Der Austrieb der Reben begann in 2008 deutlich später, als wir das in den letzten Jahren gewohnt waren. Insbesondere der kühle und regnerische April (mit mehr als 80 mm Niederschlag) führte zu einem nahezu zehntägigen Vegetationsrückstand im Vergleich zum Vorjahr, aber sorgte gleichzeitig für wichtige Wasserreserven im Boden. Doch der etwas zögerliche Start war bald vergessen, die Monate Mai und Juni zeigten sich dann schon fast hochsommerlich warm, und die Vegetation entwickelte sich im Zeitraffer. Im August wurde es zunehmend feuchter und kühler, die Reifeentwicklung der Trauben verzögerte sich. Der September blieb kühl, die Traubenreife ging sehr langsam voran, durch die kalten Nächte wurde nur sehr wenig Säure in den Beeren veratmet. Zur optimalen Reife trug entscheidend der regenarme Oktober bei. Mit nur 12mm Niederschlag fielen nur 25% der normalen Oktobermenge – bei Tagestemperaturen zwischen 10 und 15°C kam es zu einer langsamen Ausreife der Trauben und die Beeren bildeten besonders feine und komplexe Aromen aus. Zahlreiche Riesling- Lagen erreichten ihre volle physiologische Reife sogar erst im November. Das stabile Säuregerüst in Kombination mit den sehr hohen Extraktwerten dürfte ideale Voraussetzungen für einen besonders langlebigen Jahrgang bieten. Allerdings nur dort, wo die Winzer das Risiko eingingen die Vegetationsperiode bis in den November hinein voll auszureizen. “

Zu einer allgemeinen Einschätzung der Rieslinge in 2008 in Deutschland lasse ich unseren Gastgeber Martin Zwick selbst zu Wort kommen: „Der Schlüssel zum Erfolg in ’08 war ganz klar eine sehr späte Lese. Die Rieslinge präsentieren sich puristisch, geradlinig und rassig mit einer prägnanten Säure und Mineralität – sie sind insgesamt sehr anspruchsvoll. In der Spitze sind einige ’08er sogar noch besser als in ’07, dafür ist der Jahrgang 2007 in der Breite besser aufgestellt. Aber Vorsicht, die Rieslinge aus 2008 sind keine „Schmusekätzchen“. Gerade die kräftige Säure macht vielen Weinfreunden sehr zu schaffen und sie sind auch nicht so süffig und zugänglich wie noch im letzten Jahr. Auf der anderen Seite haben sie ein sehr langes Lagerpotential. Kein Zweifel, ’08 ist ein Jahrgang der polarisiert.“

Zurück zu unserer Berline Runde. Eine so große Anzahl von Weinen zu verkosten ist nicht nur reines Vergnügen. Es erfordert einen gewissen Grad an Disziplin zu gewährleisten, dass auch noch die zuletzt verkosteten Weine fair bewertert werden. So brauchten wir an diesem Abend auch geschlagene sieben Stunden, um alle Weine zu probieren bzw. miteinander zu vergleichen. Um sich von keinen Etiketten beeindrucken zu lassen, wurden natürlich alle Weine blind verkostet.

Das Ergebnis der Probe war zum Teil erwartungsgemäß, einige Weine haben sich aber deutlich besser gezeigt als angenommen. Und es gab Weine, die deutlich „underperformed“ haben. Klaus-Peter Keller z.B. macht bewiesenermaßen Weltklasse-Rieslinge. Sein 08er Line-Up war an diesem Abend leider etwas schwach – auch da jeder Wein von einer seltsamen Gemüsenote gefärbt war. Wahrscheinlich aber nur eine Momentaufnahme.

Hier das Siegerpodest mit den ersten drei Platzierungen – natürlich inklusive günstiger Einkaufsquellen.

  1. 2008 Dr. Bürklin-Wolf „Forster Kirchenstück“ GG, Pfalz (70 Euro/Fl.).HIER zu kaufen.
  2. 2008 Schäfer-Fröhlich „Felseneck“ GG, Nahe (31,90 Euro/Fl.). HIER zu kaufen.
  3. 2008 Kühling-Gillot „Rothenberg“ GG, Rheinhessen (39 Euro/Fl.). HIER zu kaufen.

Bei diesen Weinen empfehle ich dringend zu zu schlagen – noch sind die

Bewertungen der großen Weinpublikationen nicht erschienen. D.h. die

Preise sind noch fair und es ist noch Stückzahl vorhanden.

Folgender Grafik zeigt zudem alle Weine im Feld inklusive der Durchschnittsnote, die sich aus den Bewertungen der 12 Verkoster ergeben haben. Im Übrigen: in der Jury waren neben „Hobbytrinkern“ auch Weinjournalisten wie z.B. Stephan Reinhardt vom Weinwisser.

Klarer Gewinner des „Berlin Riesling Cup“ war demnach das 2008er Kirchenstück GG von Bürklin-Wolf aus der Pfalz. Hier die Verkostungsnotiz des Weins:

„WOW, absoluter Traumstoff! Ein echter Gänsehaut-Wein von Anfang bis Ende. Ein Riesling der berührt mit seiner brillianten Komplexität und Wahnsinns Länge. Üppige teils ins exotisch gehende Frucht gepaart mit einer bombastischen Mineralität und insgesamt sehr straff strukturiert. Der Boden dort ist ein „heterogener Mix aus Basalt, Sandstein, Kalkgeröll und Ton mit einer mächtigen Tonschicht im Mittelbau und einer stark ausgeprägten Kalkplatte in einer Tiefe von 2m.“ Erwähnen sollte man außerdem, daß das Weingut mit seinen 110 Hektar Rebflächen seit 2005 bio-dynamischer Weinbau praktiziert. Zudem haben die Rieslinge von Bürklin-Wolf ein hervorragendes Lagerpotenial. Dieser Riesling sollte in keinem Weinkeller fehlen!“ 95-96+/100

 

6 Kommentare

  1. GG 2008

    Wann immer die Worte „polarisiert“ und “ kräftige Säure“ auftauchen ist höchste Vorsicht geboten.
    Mein Tipp: ein Jahr auf 2009 warten.
    Freundlichst
    Christa Mondorf

  2. GG 2008

    Liebe Christa,
    warum 1 Jahr warten?! Neben den 3 Siegerweinen, gibt es noch andere herausragende GGs aus 08, wie z.B. Wittmann „Morstein“, Rebholz „Kastanienbusch“ , Keller „Morstein“ etc., die sind auch von den 09er nur sehr schwer zu schlagen.
    Alles Gute,
    Martin
    http://www.berlinkitchen.com

  3. GG 2008

    Guten Morgen nach Deutschland und vor allem nach Berlin, lieber Martin!
    Es darf bezweifelt werden, dass die Einordnung der GG für den Verbraucher sehr hilfreich ist. Der normale Verbraucher kauft diese Weine nicht. Die drei Siegerweine sollen zwischen 31,90 und 70 Euro kosten. Wer kann sich diese Weine in den Keller legen? Nachgewiesener Weise, das weiß auch ich, gibt es diese Käuferschicht. Aber genau diese schauen beim Weinlakai eigentlich nicht vorbei. Sie sind informiert. Bleibt die Frage, ob die GG nicht eher eine Gelddruckmaschine sind?
    Ein Wort zu Keller in Rheinhessen: underperformed und Line-Up oder auch nur die Wahrheit bei einer Blindprobe?
    Vor einigen Wochen war ich bei einem Kellermeister in Rheinhessen. Mir gefiel die gesamte Kollektion nicht. Zur Rede gestellt: 2008 war eben doch nicht ganz so gut! Klar: es gibt Ausnahmen.
    Freundlichst
    Christa Mondorf

  4. Gewächse

    Guten Morgen
    ich stimme Ihnen zu, ich kann mir diese Weine nicht leisten und wenn ich schon ein-zweimal eingeladen worden bin, solche Weine zu probieren, habe ich keinen großen Unterschied zu meinen bevorzugten Weinen schmecken können.
    In Forst, neben der Lage Ungeheuer, gibt es die Lage Elster. Sicherlich ist der Boden hier kein anderer allerdings ist die Lage Elster deutlich günstiger zu erwerben.
    Deshalb meine momentane Riesling Favoriten, Mooshamer oder Lucas, jeweils mit dem Forster Elster Kabinett Wein.
    Schmeckt saftig und ist für mich bezahlbar.
    Anfang der 90 er Jahre dachte ich immer, die spinnen, die Italiener mit ihren Barolos etc.
    Wenn ich nun die Weinpreise hier verfolge………aber der Markt regelt es und sicher wird es Menschen geben, die bereit sind, für die großen Gewächse soviel Geld auszugeben.
    Gelddruckmaschine ist ein geiles Wort. *gg*
    Ich habe schon einiges gekauft und für dehr gut befunden, von den Tipps, die es hier gab, das passt.
    Nein zu diesen vorgestellten Weinen, diese sind nicht für mich gemacht.
    Werner

  5. GG 2008 geht auch preiswerter…

    Ich hatte letztens die Gelegenheit einige exzellente Mosel-Rieslinge zu verkosten. Sehr gut haben mir die bezahlbaren Rieslinge des Weinguts Böcking gemundet:
    http://www.weingut-boecking.de
    Bei Preisen um die 8 EUR nicht unbedingt ganz billig, preiswert aber allemal.
    Jan

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