Zu Gast bei El Bulli!

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Molekularküche par excellence: Ferran Adrià und das El Bulli

Einen Tisch in diesem Restaurant zu bekommen ist nicht einfach. Das Zauberwort heißt Geduld. Für den Weinlakai hatte es nun endlich geklappt und ich trat schließlich die Reise nach Spanien an. Durchaus mit gemischten Gefühlen bzw. Erwartungen: Ist die so genannte Molekularküche nur eine optisch geschönte Darreichungsform und der Geschmack bleibt dabei leider auf der Strecke? Oder haben die 3 Michelin-Sterne und die wiederholten Auszeichnungen zum „Best Restaurant Of The World!“ tatsächlich ihre Berechtigung? Ein Erfahrungsbericht.

Das Unglaublichste gleich zu Beginn: es wurden uns an diesem Abend im El Bulli

sage und schreibe 39 Gänge innerhalb von 4 Stunden serviert. Ich glaube es ist überflüssig zu sagen, dass man Schwierigkeiten hätte jeden Gang mit einem passenden

Wein zu untermalen. So blieb es bei einer bescheidenen Auswahl eines Cavas zu Beginn, eines Rotweines in der Mitte und eines Dessertweines zu den Desserts.

Aber von Anfang an: El Bulli liegt etwa 160KM entfernt von Barcelona. Man fährt einfach die Küste Richtung Frankreich hinauf und gelangt schließlich in ein kleines Örtchen namens Roses. El Bulli selbst sitzt hier aber noch lange nicht, sondern etwas oberhalb einer kleinen Bucht, entschuldigen sie den Ausdruck, in „the middle of f****** nowhere“. Anders lässt es sich nicht umschreiben. Auf dem Weg dorthin stellt man sich mehrfach die Frage, ob man noch richtig ist (im Kopf/auf der Strasse). Insbesondere bei fehlendem Tageslicht ist die Fahrt durch Serpentinen etwas gespenstisch – vor allem wenn man keiner Menschenseele bzw. anderen Autos begegnet.

Irgendwann, schwups, tauchte dann aber die Einfahrt zum El Bulli auf und plötzlich stimmte die Welt wieder. Der Empfang ist sehr unkompliziert und überhaupt nicht „überkandidelt“. Das Abenteuer El Bulli begann dann mit einer Führung der Gäste in die Küche des Begründers der Molekularküche, Ferran Adrià. Dieser ist stets anwesend und für gemeinsame Fotos mit den Schaulustigen allzeit bereit.

Mit „Essen gehen“ hatte dieser Abend recht wenig zu tun. War dieser Ausflug die Reise und die damit verbundenen Ausgaben wert? Ich kann die Frage mit einem klaren Ja beantworten. Man muss aber schon einen gehörigen Entdeckertrieb mitbringen und sich vor keinem kulinarischen Experiment erschrecken.

Nun aber gar keine lange Vorrede mehr. In folgender Fotodokumentation möchte ich jeden Gang und natürlich auch den Wein beleuchten. Nur Fotos lassen ausdrücken, was einen hier erwartet.

Eines noch am Rande: der Service war makellos und herrlich locker. Der Gast war spürbar König, jedoch ohne unnötig vornehmes Gehabe… sehr angenehm!

Geschäftiges Treiben in der Küche

 

Ferran Adrià, Der Weinlakai

 

 

Ein toller Cava mit frischen, würzig-nussigen Aromen und guter Säure und mittelfeiner Perlage.

 

 

 

 

 

 

 

„lemon/yogurt/gin“: der Name war Programm. Sehr lecker und frisch mit einer Kruste a la Crème Brûlée.

 

„spherical olives“: die erste Sinnestäuschung. Optisch eine grüne Olive, jedoch eigentlich eine glibberige Außenhülle, die im Mund aufplatzt und eine Flüssigkeit freigibt, die wie Olivenkonzentrat schmeckt. Super lecker!

 

„passion orchid“: die Blüte einer Passionsfrucht, gefüllt mit einer Art Haselnuss-Krokant. Dieser ist sehr aromatisch und süß und die knusprige Blüte säuerlich, aber ohne starkes Eigenaroma.

 

„tomato/parmesan biscuits“: Cracker, die auch wieder sehr aromatisch schmecken. Eben Parmesan und Tomaten(mark) pur.

 

„shiso soft candy“: ziemlich waberige und salzige Angelegenheit, die im Mund aufplatzt und eine tomatige, Shiso-Essenz beinhaltet. Nicht unbedingt mein Geschmack.
„pinenut chocolates“: Pinienkern-Creme mit dunkler Schokolade überzogen. Salzig, cremig mit wenig Pinienkern-Aroma. Nicht so toll.

 

„nori-Trias“: extrem knusprige, leicht fischige Angelegenheit. Überraschend war hierbei die extreme Knusprigkeit ohne dabei trocken zu sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„averantos“: wie diese Dinger zusammengehalten wurden ist mir immer noch ein Rätsel. Kaum hat man sie in den Mund bugsiert, zerfallen sie in einzelne, sehr knusprige, nach Popcorn und Sesam schmeckende Körnchen.
„Pekin crêpes“: eines war mit „echten“ Dingen gefüllt… Koriander, Hühnchen etc., das andere war mit einer Flüssigkeit gefüllt, die geschmacklich aber sehr ähnlich war. Sehr lecker.

 

„black sesame sponge cake with miso“: eine weitere Hommage an die japanische Küche. Der Name war auch hier Programm, so ist die Textur tatsächlich die eines Schwammes! Der Geschmack war süßlich, nach Sesam schmeckend mit einem tollen Mundgefühl.

 

„brazo de gitano“: zunächst gab es hier eine Art Sushi-Röllchen, das von der Konsistenz an Baiser erinnerte und einen tollen, frisch-cremigen Geschmack nach roter Beete und Yoghurt bereithielt.

 

„essence de betterave“: Im Anschluss dann ein Löffel mit flüssiger Rote-Beete-Essenz. Eine wahnsinnige Intensität – die buchstäbliche Essenz von roter Beete.

 

„gorgonzola moshi“: hier wurde das Spiel mit den Sinnen mal umgedreht. Außen ein weich glibberndes Sahne-Gebilde, das sich im Mund auflöste und einen festen Gorgonzola-Kern freigab.

 

„grilled strawberry“: schon fast skandalös die Tatsache, dass es sich hier um echte, leicht gegarte Erdbeeren handelte. Lecker, aber auch geschmacklich ohne besondere Raffinesse.

 

„LYO cream“: Spaghetti Carbonara in 2 Teilen. Zum einen die Sahne, zum anderen Eigelb, Salz, Pfeffer, Käse und einen aromatischen Geschmack nach Speck. Eine sagenhafte Idee und wirklich lecker!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„LYO cream“ Teil 2

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„oyster leaf with dew of vinegar“: dieses Blatt war mit Essig benetzt und schmeckte in der Tat nach Austern… wie war es nur möglich ein so authentisch aussehendes Blatt herzustellen? Die Antwort ist simpel: es ist ein echtes Blatt! Die Pflanze wurde in Holland „entwickelt“ und schmeckt nach Austern. So einfach kann es manchmal sein!

 

Ein feiner, bereits schön gereifter Pinot Noir aus dem amerikanischen Russian River Valley war ein toller Essensbegleiter. Der vom spanischen Großwinzer Miguel Torres vinifizierte Wein war nicht zu kräftig und stahl auf diese Weise dem Essen nicht die Schau, sondern untermalte das Erlebnis mit leckeren Fruchtaromen von Erdbeeren, Sauerkirschen und roten Johannisbeeren.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„razor clam / Laurencia“: sehr frische, japanisch zubereitete Schwertmuschel mit Ingwer-Aromatik in dem Gelee auf der zweiten Muschelhälfte.

 

„Umeboshi“: Der rechte Löffel beinhaltete eine echte japanische Pflaume mit Seetang-Raspeln und der linke Löffel eine Pflaumen-Essenz mit einer Mandel. Insbesondere die Essenz war sehr aromatisch und die Mandel passte super dazu. Dagegen konnte die echte Pflaume nicht bestehen… eben doch ein bisschen wie bei „Brust oder Keule“.

 

„cuttlefish with pesto ravioli“: zu diesem Gericht wurde zum ersten Mal überhaupt Besteck gereicht. Der Tintenfisch war sehr gut und die Ravioli waren mit einer superleckeren Pesto-Käse-Creme gefüllt. Die Ravioli waren aber natürlich nicht aus Teig, sondern wieder einmal aus einer dünnen, gallertartigen Masse, die im Mund aufplatzte.

 

So sah es im Übrigen bei El Bulli aus… wir saßen allerdings in dem eher konservativ eingerichteten Teil des Restaurants.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„mandarine flower / pumpkin oil with mandarine seeds“: Essenz von einer Mandarinenblüte mit Kürbiskernöl vor und nach der Bearbeitung mit dem Löffel. Eine tolle Aromenkonstellation, die ständig zwischen Mandarine und Kürbiskernöl hin und her wechselte.
„mandarine flower / pumpkin oil with mandarine seeds“ nach dem Zerbrechen der Deckschicht.

 

 

 

 

 

 

„savory/spun egg with eggyolk gnocchis“: Das in seine Bestandteile zerlegte Ei befand sich in einem leckeren Sesamsud und wurde durch teils säuerliche Aromen zu einem sehr abwechslungsreichen Gang. Die orangefarbenen Lackskaviarperlen – obwohl ich mir nicht sicher bin, ob es tatsächlich Kaviar war – trugen dazu bei.

 

 

„tomato basil“: Faszinierend, es handelte sich tatsächlich um echte Tomaten mit echtem japanischem Knoblauch. Echt lecker!

 

 

„coconut with caviar“: Bin wirklich kein Kaviar-Fan und die Kombination mit Kokosmilch und Kokossaft war mir zu diesem Zeitpunkt (Gang 24) bereits ein bisschen zu viel des Guten. Die Präsentation war aber toll gemacht.

 

„lulo“: diese mit Lulo angereicherten Nudeln waren gefroren, schmolzen im Mund und schmeckten nach Foie-Gras. Das Ganze mit Trüffelöl verfeinert war wieder so eine perfekte Kombination aus überraschender Darreichungsform und tollem Geschmack.

 

„veal tendon“: Ja, es handelte sich tatsächlich um Achilles-Ferse vom Kalb (oberes Bild). Wie etwas so weich und zart sein kann ist mir allerdings ein Rätsel. Lecker war es auch – insbesondere durch den sehr konzentrierten Kalbsfond. Dazu gab es eine Knochenmarksuppe (unteres Bild). Habe ich als eher geschmacksneutral empfunden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Abalone“: eine Abalone-Muschel, die mit Koriander gewürzt war und erneut sehr japanisch angehaucht. Meeresfrüchte sind nicht unbedingt mein Ding, daher auch nicht mein Favorit.

 

 

„water lily“: Uiii, das war wieder sehr lecker und außergewöhnlich. Was hier aussieht wie ein Gartenteich aus einem Fantasy-Film schmeckte nach Veilchen, Jasmintee, Blüten. Dabei sehr frisch und säuerlich. Klasse!

 

„suckling pig tail“: gebratener Speck und Schinkensuppe mit Meloneneinlage. War gut, jedoch eher „einfach“ im Geschmack.

 

 

„green walnuts with endive“: Roquefort-Käse mit Walnüssen und Chicorée. Ein solch intensiver Käse hat einem als Gang Nummer 30 schon ziemlich zugesetzt… war aus meiner Sicht nicht notwendig.

 

 

„gnocchis of polenta with coffee and saffron yuba“: Wieder ein Highlight. Maispolenta-Gnocchis mit Kaffee und Safran. Eine herrliche Kombination. Der Kaffee passte überraschend gut.

 

 

„sea anemone 2008“: Seit wann kann man dieses elektrische Stromstösse produzierende Untier namens Seeanemone essen? Bereits der intensive Fischgeruch verschlug mir den Atem und ich verzichtete. Gut ausgesehen hat es trotzdem. Dies war der einzige Gang, den ich völlig ausließ… meine Begleitung nicht und ich könnte mir vorstellen, dass sein nächtliches Unwohlsein auf dieses Untier zu schieben ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„castanets“: Schweinenacken mit Kaktus, Sesam, Kastanien und Shitake-Pilzen. Sehr lecker, aber für meine Verhältnisse war das Fleisch zu weich.

 

 

Es folgte der Übergang zu den süßen Abschlüssen des Menüs. Dazu gönnten wir uns einen Tokay, DER Süßwein aus Ungarn. Er schmeckte klasse nach Honig, tropischen Früchten und überzeugte durch eine schöne Balance zwischen Süße und Säure.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„flower canapé“: Das baiserartige „Schiff“ löste sich im Mund auf und die Blüten waren unglaublich aromatisch. Eine davon war eine spezielle japanische Blüte, die mich zunächst glauben ließ, dass ich nun gänzlich die Kontrolle über meine Geschmacknerven verloren hatte… stellen Sie sich vor, sie lutschen an einer aufgeladenen Batterie, dies war das Gefühl in (Gott sei Dank, nicht nur meinem) Mund. Diese Besonderheit wurde dann auch von dem Personal bestätigt.

 

 

„coco“: Dieses Kokos-Osterei bestand aus gefrorener Kokosmilch und wurde mit Curry bestreut. Was soll ich sagen? Wenn das mal nicht eine spektakuläre Inszenierung ist! Geschmeckt hat es auch. Die Kombination zwischen Curry und Kokos ist zwar aus der asiatischen Küche bekannt, war in dieser Form jedoch spektakulär.
„coco“ Teil 2

 

 

 

„japanese autumn“: optisch wurde der Name perfekt umgesetzt! Zum Essen fast zu schön. Die Deko war natürlich essbar und enthielt keine echten Blätter. War cross und fruchtig mit einem darunter befindlichen Schoko-Eis mit Crisp-Stückchen.

 

„Morphings… 1“: eine krosse Sushi-Rolle aus Biskuit (!?) mit Seetang-Rolle, die aber aus Schokolade war. Gefüllt mit einer schmackhaften Erdbeer-Masse.

 

„Morphings… 2“: Hierbei handelte es sich um eine Art festen Mango-Wackelpudding auf einem Biskuitboden. Gut, aber nicht sonderlich erwähnenswert.

 

„Morphings… 3“: Ein weiteres Kunstwerk. Eine Honigkugel mit integrierter Blüte und auf einem Blatt serviert. Die Honigfüllung war sehr aromatisch und harmonierte perfekt mit dem Geschmack der Blüte. Ein toller Abschluss eines faszinierenden Abends!
„Morphings… 3“ im Detail

 

 

10 Kommentare

  1. viel Japan in Katalonien

    Spannend und ehrlich geschrieben und natürlich tolle Fotos!
    Ich bin Japan-Bewohner und es haut mich um, wieviel japanische Elemente/Küche der El Bulli verwendet.
    Gerade diese japanischen Gerichte scheinen mir fast traditionell nach der japanischen Hofküche („kaiseki“) zuzubereitet. Wer nach Japan kommt und diese Küche übrigens relativ preiswert testen möchte, sollte mal eine der Umenohana-Filialen aufsuchen: http://www.umenohana.co.jp/e/index.html
    Nochmals danke für den Artikel!

  2. Interessant zu sehen, was es in dem Restaurant, an dem ich ab und zu vorbeifahre, alles gibt. Wollte ich schon immer mal wissen und vielleicht, falls ich jemals so weit voraus plane, daß ich mir einen Restauranttermin im nächsten (!) Jahr hole, probiere ich es einmal aus.
    Es liegt übrigens nicht „the middle of f****** nowhere“, sondern schön abgeschieden an einer kleinen malerischen Bucht. Die ach so abenteuerliche, „gespenstische“ Straße ist ein ganz normaler, gut gepflegter Schotterweg (ugegebenermaßen ist die Beschilderung minimalistisch). Der Autor verläßt seinen sicheren Schreibtisch wohl nicht zu oft? 😉

  3. Also einen „Live Bericht“ aus dem El Bulli bekommt man ja auch nicht alle Tage. Leider werden die Bilder auf meinen PC nicht dargestellt.
    Bin zwar kein Freund der Molekularküche, aber das hätte ich auch mal gerne mitgemacht.
    Darf man fragen, was Sie denn gezahlt haben fuer das Menu?

  4. HAA! Jetzt hab ich die Bilder drin. Na, das nennt sich wohl Erlebniskueche. Vielleicht ein wenig viel getue, aber das muss wohl so sein. Zum Nachkcohen jedenfalls etwas schwierig ;). Klasse Fotos, klasse Bericht.

  5. Eine siebecksche Darstellung mit gekonnten Bildern!

    Gratulation. Wirklich sehr schön und treffend.
    Bei der Hinfahrt habe ich auf der Serpentinenstrasse wieder Singen gelernt. Hat meiner Familie nicht gefallen und dann fuhr meine Frau weiter. Nach 200 Metern hat auch sie mit Singen angefangen…

  6. Dear Tobias

    nicht mein Fall…ist wie man in der Literatur sagen wuerde verfremdet…finde da ist ja nouvelle cuisine sogar noch „bodenstaendig“…

  7. @TILLYKOEPPEL

    Sicher kein Essen für jeden Tag… man sehnt sich am nächsten Tag nach simplen, bodenständigen, ja sogar primitiven Dingen a la Hamburger oder Currywurst. Trotzdem gut, dass es beides gibt 🙂

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